Sunset
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Sunset

Sunset
„Sunset“ // Deutschland-Start: 28. Februar 2018 (Kino) // 17. Oktober 2019 (DVD/Blu-ray)

Als die junge Iris Leiter (Juli Jakab) nach Budapest kommt, um als Hutmacherin zu beginnen, dann nicht nur aus finanziellem Interesse. Vielmehr möchte sie ihrer eigenen Familiengeschichte auf den Grund gehen. Schließlich waren es ihre Eltern, die einst den vornehmen Hutladen gründeten, die auch in diesem starben. Der jetzige Inhaber Oskar Brill (Vlad Ivanov) versucht sie zwar schnell abzuwimmeln, kommt aber nicht gegen die Sturheit von Iris an. Vor allem nicht, als sie erfährt, dass sie einen Bruder hatte, von dem sie nichts wusste und der ein furchtbares Verbrechen begangen haben soll. Fasziniert von dieser Geschichte setzt sie ihre Nachforschungen fort und kommt dabei finsteren Geheimnissen in den höchsten Kreisen der österreichisch-ungarischen Gesellschaft auf die Spur.

Gleich mit dem ersten Film weltweit für Furore zu sorgen, das ist ja oft ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite öffnet es viele Türen, ermöglicht ganz andere Budgets, zieht vielleicht auch den einen oder anderen Star ein, der im Folgewerk mitspielen will. Gleichzeitig stehen die jungen Filmemacher anschließend unter besonderer Beobachtung. Schließlich wollen Erwartungen erfüllt werden, die mit dem Debüt geweckt wurden. Wie schwierig das sein kann, das musste auch László Nemes feststellen, dessen erster Spielfilm Son of Saul weltweit mit Preisen überschüttet wurde, darunter einem Oscar als bester fremdsprachiger Film, dessen Zweitwerk Sunset bei der Premiere auf den Filmfestspielen von Venedig 2018 aber auf stärker gemischte Reaktionen stieß.

Der schön vornehme Albtraum
Wieder einmal nimmt uns der Ungar mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Wo Son of Saul noch den Horror des Holocausts spürbar werden ließ, da tauchen wir dieses Mal in ein deutlich vornehmeres, freundlicheres Milieu Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Doch das hübsche Antlitz soll niemanden täuschen. In Sunset mag von Anfang an die Sonne scheinen, mögen die Herren und Damen in edler Kleidung durch die Gegend stolzieren. Doch hinter diesem Schick verbergen sich Abgründe, wie jemand früh im Film Iris warnend mit auf den Weg gibt.

Welche Abgründe das sind, das verschweigt die warnende Stimme. Erst sehr viel später dürfen wir erfahren, was damit gemeint war – und das auch nur ansatzweise. Sunset ist ein Film, der sehr viel mit Andeutungen spielt, Leute tuscheln lässt, im Hintergrund flüstern, bedeutungsschwangere Worte durch den Raum schickt. Konkrete Aussagen jedoch, die verweigert Nemes. Einiges lässt sich rekonstruieren, wer genügend Geduld mitbringt. Immerhin 140 Minuten dauert das Drama. 140 Minuten, die sehr lang werden können, wer es gewohnt ist, sich alles auf das Satzzeichen genau ausbuchstabieren zu lassen. Oder anders gesagt: Wer den groben Bombast eines Werk ohne Autor schätzt, der jeden Zwischenraum mit Hämmern klein schlägt, der wird hier keine Freude haben. Hier muss das Publikum mitarbeiten, wenn es Antworten haben will.

Wie sind wir denn hierher gekommen?
Aber es ist nicht nur die Hintergrundgeschichte, die bruchstückhaft bleibt. Auch der Ablauf des Films ist mindestens gewöhnungsbedürftig. Ganz abgesehen davon, dass Iris ständig durch die Gegend läuft, ohne jemals im Laden zu arbeiten – was hier schon als Running Gag durchgeht –, sind auch ihre privaten Ermittlungen oft nicht nachvollziehbar. Sie ist in der einen Szene mit etwas beschäftigt, in der nächsten ganz woanders. Wohin sie gegangen ist, wie sie dorthin kam, wie sie überhaupt auf die Idee kam, das bleibt oft unklar. Oft hat man den Eindruck, dass in Sunset massig an verbindenden Szenen herausgeschnitten wurden. Son of Saul tat dies natürlich auch, was dort aber besser passte: Das Holocaust-Drama ließ uns an der klaustrophobischen Panik inmitten eines Massenverbrechens teilhaben. Das Unübersichtliche gehörte da zum Inhalt dazu.

Bei Sunset bleibt hingegen in erster Linie Verwirrung übrig. Verwirrung darüber, was genau sich hinter den vornehmen Fassaden abspielt. Verwirrung auch, was genau Nemes mit seinem Film eigentlich beabsichtigte. Aber auch wenn der neue Film des Regisseurs wenig greifbar ist, auch nie die Wucht seines Debüts entwickelt – dafür bleiben die Figuren zu sehr auf Distanz –, es ist ein interessantes Werk geworden. Wie in einem Traum schwebt man durch die prächtigen Kulissen, die Kamera immer dicht an den Figuren, oft in minutenlangen Aufnahmen, ohne je etwas aus ihnen hervorzulocken. Ein Traum, der zwischenzeitlich surreal werden kann und einen mit dem dringenden Gefühl zurücklässt, dass sich da etwas ganz Böses, ganz Finsteres anbahnt. Man weiß nur eben nicht was.



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In „Sunset“ greift der ungarische Regisseur László Nemes wieder auf eine Inszenierung zurück, die sehr eng an den Figuren ist, wenig Klarheit bietet und das Publikum alleine lässt. Wo sein Debüt „Son of Saul“ aber zu einem bewegenden und klaustrophobischen Holocaust-Drama wurde, bleibt der Ausflug in die österreichisch-ungarische Oberschichte 1913 wenig greifbar, gleicht einem Traum, der das Gefühl von Bedrohlichkeit erzeugt, ohne je konkret zu werden.
7
von 10