Unser Kind
© ARD/WDR/Martin Valentin Menke

Unser Kind

Unser Kind
„Unser Kind“ // Deutschland-Start: 7. November 2018 (TV)

Es war die große Liebe, die Ellen (Susanne Wolff) und Kiki (Britta Hammelstein) mit einem gemeinsamen Kind krönen wollten. Doch nicht lange nach der Geburt stirbt Kiki, die das Kind ausgetragen hat, und lässt Ellen nicht nur mit ihrer Trauer, sondern auch jede Menge Ärger zurück. Denn plötzlich wollen auch andere über den kleinen Franz bestimmen. Der befreundete Wolfgang (Andreas Döhler) zum Beispiel, der als Samenspender der biologische Vater ist und sich eigentlich aus dem Leben des Jungen heraushalten wollte, nun aber das Sorgerecht anstrebt. Und auch Kikis Eltern Johannes (Ernst Stötzner) und Evelyn (Victoria Trauttmansdorff) wollen den Kampf um Franz nicht aufgeben und streben ihrerseits nun eine Vormundschaft an.

Die Frage ist gerade bei Filmemachern beliebt, wird immer wieder in den unterschiedlichsten Formen aufgegriffen: Was genau macht eigentlich eine Familie aus? Ist es die reine Abstammung? Ist es das zwischenmenschliche Verhältnis? Die gemeinsam verbrachte Zeit? Der Japaner Hirokazu Koreeda setzt sich immer wieder mit dem Thema auseinander, nutzt mal vertauschte Kinder (Like Father, Like Son), unbekannte Halbgeschwister (Unsere kleine Schwester) oder lose Zufallsbegegnungen (Shoplifters), um traditionelle Familienbilder in Frage zu stellen.

Jeder ist sich selbst der nächste
Das tut Unser Kind auch und schickt dafür gleich drei Parteien in den Ring, die sich um das Sorgerecht bzw. die Vormundschaft eines Jungen balgen. So etwas wird zwangsläufig hässlich. Und tatsächlich ist das Drama sichtlich darum bemüht, dass keine der drei Seiten zu weit oben in der Sympathieskala steht und damit eine Antwort auf die Fragen zu einfach macht. Die natürliche Reaktion wäre Ellen das Kind zuzusprechen. So war es abgemacht, zwischen ihr und Kiki, zwischen allen eigentlich. Ihr das jetzt nun wegnehmen zu wollen, nachdem sie bereits die Partnerin verloren hat, das ist überaus grausam.

Grundsätzlich nimmt man auch den anderen ihre jeweiligen Motivationen ab. Die Großeltern, die das Kleinkind als Ersatz für die verstorbene Tochter haben wollen. Der biologische Vater, der am Ende doch nicht so gefühllos dem Sohn gegenübersteht, wie er es zuvor gedacht hat. Und auch für gesellschaftliche Fragen lässt Unser Kind noch Platz, speziell der zur Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare. Wäre die Adoption von Franz durch Ellen auch dann so schwierig gewesen, wenn es sich um ein klassisches Mann-Frau-Paar gehandelt hätte? Oder ist das nicht doch Diskriminierung, wenn in dem Fall größere Vorbehalte durch das Jugendamt herrschen?

Eine Geschichte, die im Kopf spielt
Zu sagen und zu fragen hat der Film also einiges. Und doch, wirklich überzeugend ist das TV-Drama, welches auf dem Filmfest München 2018 debütierte, nicht. Schon die Grundkonstellation ist heillos überkonstruiert und in der Form nicht glaubwürdig. Warum Wolfgangs Frau Natalie (Lisa Wagner) ihn dazu drängt, seinen Samen zu spenden, wird nie plausibel erklärt. Es ist sogar ausgesprochen dämlich in einer Familie, in der Kinderkriegen ein heikles Thema ist. Auch anderes wirkt sehr willkürlich: Konflikte werden eingebaut, nur um der Konflikte willen, nicht weil sie sich aus der Geschichte ergeben würden. Wo Koreeda aus ungewohnten Konstellationen einen mitreißenden Alltag schafft, da ist Unser Kind eine reine Kopfgeburt, die sich nicht am Leben orientiert. Ein Gedankenexperiment, das uns zwar Kitsch erspart, dafür aber ins andere Extrem ausschlägt.

Es ist aber nicht nur die Geschichte, die gröbere Mängel aufweist und zudem umständlich erzählt wird – die mit Flashbacks arbeitende Dramaturgie verfehlt die beabsichtigte Spannung, stört nur unnötig die Ausarbeitung der eigentlichen Themen. Auch die Darsteller haben hier nicht unbedingt Sternstunden. Ein ums andere Mal scheitern sie an der Aufgabe, den holprigen Dialogen Leben einzuhauchen und aus Unser Kind mehr zu machen als einen gutgemeinten Denkanstoß. Wenn die Figuren dabei wenigstens noch ansatzweise sympathisch sind. Doch egal ob Adoptivmutter, Großeltern oder biologischer Vater, sie sind alle so furchtbar, so hässlich, so beschränkt auch in ihrem Willen zur Kommunikation, dass man dem kleinen Franz wünschen würde, lieber gleich von einem Fremden adoptiert zu werden. Das würde die Chance zumindest erhöhen, dass er irgendwann zu einem sozial kompetenten Wesen heranwächst.



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Die grundsätzliche Frage, was Familie ausmacht und wer sich um ein Kind sorgen sollte, die ist immer wieder spannend. Wenn in „Unser Kind“ jedoch gleich drei Parteien um den Sohn einer Verstorbenen balgen, dann fehlt es hinten und vorne an Glaubwürdigkeit. Zudem scheitern die Darsteller daran, ihre Figuren nachfühlbar oder zumindest ansatzweise sympathisch mit Leben zu füllen.
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von 10