Vielmachglas
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Vielmachglas

Vielmachglas DVD
„Vielmachglas“ // Deutschland-Start: 8. März 2018 (Kino) // 4. Oktober 2018 (DVD/Blu-ray)

Marleen (Jella Haase) ist nicht unbedingt das, was man einen selbstbewussten, impulsiven Menschen nennen würde. Anfang 20 ist sie, hat aber noch so gar nichts im Leben auf die Reihe gebracht, nichts wirklich erlebt – im Gegensatz zu ihrem Bruder Erik (Matthias Schweighöfer), der schon überall gewesen ist und von einem Abenteuer nach dem anderen berichtet. Als der bei einem Besuch in der Heimat ums Leben kommt, bricht für Marleen eine Welt zusammen. Fest entschlossen, einen Traum von Erik in die Tat umzusetzen, macht sie sich auf den Weg nach Hamburg, um von dort aus in die Antarktis zu fahren – der letzte Kontinent, der auf seinem Reiseplan noch fehlte. Doch das ist alles deutlich komplizierter als gedacht. Glücklicherweise begegnet sie unterwegs aber einigen hilfsbereiten Menschen wie dem Fotografen Ben (Marc Benjamin) und der Bloggerin Zoë (Emma Drogunova), die sie auf dem Weg begleiten.

Ein bisschen Betrug ist das ja schon. Da ist groß Matthias Schweighöfer auf dem Kinoplakat zu sehen, wird auch an zweiter Stelle genannt. Und ist dann doch nach ein paar Minuten schon tot, im Film wohlgemerkt. Andererseits muss man sich das auch mal trauen, einen der beliebtesten deutschen Schauspieler, zumindest in der weiblichen Hälfte des Publikums, so ratzfatz um die Ecke zu bringen. Ihn abzuservieren, wo er sicher doch Stunden in der Maske verbracht hat, um diese eigenartigen Dreadlocks anbringen zu lassen. Aber ganz weg ist er danach zwar nicht, zumindest nicht im Geiste seiner Filmschwester, die trotz leichten Gepäcks eine ganze Menge zu tragen hat.

Schmerz ist alle
Mit richtiger Trauerarbeit hat Vielmachglas natürlich nichts zu tun. Eine schmerzhafte Fressorgie wie in A Ghost Story, die nicht nur der Protagonistin jede Menge zumutet? Keine Chance, man soll sich hier ja wohlfühlen. Der Tod ist natürlich schlimm, aber nichts, was nicht mit ein paar Taschentüchern, ein paar Gags am Straßenrand und einem angenehmen Indie-Soundtrack zu bewältigen wäre. Dass hier tatsächlich ein geliebter Mensch fort sein soll, das merkt man dem Film kaum an. Und auch nicht den Figuren, die hier so wirken, als hätte da jemand maximal Liebeskummer. Da ging beispielsweise das ebenfalls tragikomische Nichts zu verlieren deutlich offensiver mit der Trauer und dem Schmerz um, ohne die Leichtigkeit zu verlieren.

Dabei kann der Film mit einer Reihe prominenten, teils auch überaus talentierten Darstellern protzen. Allen voran Jella Haase, die ihren Auftritten in Fack ju Göhte viel Beliebtheit verdankt und wohl auch jede Menge Kohle, deren Talent aber nicht nur dort zu oft verschenkt wird. Immerhin darf sie hier ihren ganzen Charme ausspielen, verbunden mit jeder Menge kindlicher Unschuld. Wenn Marleen raus in die Welt zieht, dann hat das mehr von einem Bilderbuch, das man den lieben Kleinen zeigt, um ihnen Mut zu machen. Denn darum geht es ja hier: Mut fassen. Rausgehen. Die Welt umarmen, so lange sie noch da ist. So lange man selbst noch da ist.

Nette Idee, charmante Darsteller
Dabei kann man nun verächtlich mit der Nase rümpfen, dem Film auch ankreiden, dass er ausschließlich mit einem ausgespannten Sicherheitsnetz unterwegs ist. Vielleicht auch zwei. Oder man nimmt Vielmachglas an als das, was es sein soll: Wohlfühlkino, das Besinnliches, Rührendes und Witziges miteinander verbindet, das wirklich niemandem irgendwie wehtun möchte. Stattdessen gibt es ein paar aufmunternde Sprüche für ein Publikum, das sich selbst nicht aus dem Haus traut, und das besagte Vielmachglas. Ein Glas, in dem Marleen alles aufbewahren soll, das mit erlebten Abenteuern zu tun hat und an das sie sich später erinnern kann, wenn es wieder dunkel und kalt und furchteinflößend wird.

Diese Idee ist dann auch tatsächlich süß, so wie auch der Film insgesamt nett ist. Ein bisschen mehr Biss hätte dem Ganzen gut getan, mehr Emotionen oder wenigstens verrücktere Begegnungen – so tuckert Vielmachglas in einem gemächlichen Tempo vor sich hin, genießt die Aussicht und die frische Luft. Anschauen kann man sich das, neben Haase bringt auch Benjamin (Vorwärts immer!) wieder jede Menge Charme mit. Wirkliche Weisheiten wird man diesem Roadtrip aber wohl kaum entlocken können, mehr als Gemeinplätze springen bei der Trostfahrt nicht heraus.



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Der Globetrotter-Bruder ist tot, also liegt es an der ängstlichen kleinen Schwester, dessen Traum zu vollenden. Das ist insgesamt nett, zumal auch charmant besetzt, drückt sich aber schon auffallend vor der eigentlichen Trauerarbeit und hat statt echter Erkenntnisse und Entdeckungen nur Gemeinplätze auf dem Reiseplan.
5
von 10