Was uns nicht umbringt
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Was uns nicht umbringt

Was uns nicht umbringt
„Was uns nicht umbringt“ // Deutschland-Start: 15. November 2018 (Kino)

Als Therapeut hat Max (August Zirner) jede Menge zu tun, an Menschen, die mit ihrem Leben nicht klarkommen, gibt es keinen Mangel. Bestattungsunternehmer Mark (Christian Berkel) zweifelt beispielsweise an seinem Beruf, aber auch am Verstand seiner Schwester Isabelle (Deborah Kaufmann), die alle für sterbenskrank hält. Fritz (Oliver Broumis) ist tatsächlich krank, leidet an einer unglaublichen Höhenangst – was eher unpraktisch ist für einen Piloten. Und auch Loretta (Barbara Auer) hat so ihre Probleme, vor allem mit den beiden Töchtern. Das wiederum ist Maximilian unangenehm, handelt es sich bei ihr doch um seine Ex-Frau, die da auf der Couch Platz nimmt.

Lang genug hat es ja gedauert, bis Sandra Nettelbeck mal wieder auf dem Regiestuhl Platz nahm. Genauer sind fünf Jahre vergangen, seitdem sie in Mr. Morgan’s Last Love von einem ebenso komischen wie fragilen Familienkonstrukt erzählt hat. Auch ihr neuer Film handelt in erster Linie von zwischenmenschlichen Beziehungen, von Momenten des Glücks, aber auch der Trauer und der Angst. Und es gibt noch ein wiederkehrendes Element in Was uns nicht umbringt: Max, der Therapeut. Denn der war schon 2001 in ihrem Hit Bella Martha dabei und bekommt hier quasi seinen eigenen Film.

Die Welt ist voller kaputter Leute
Wobei das hier mit der Hauptfigur ja so eine Sache ist. Während Max sicherlich eine der prominenteren ist, viele der kaputten Charaktere irgendwann auf seiner Couch Platz nehmen, er geht nur zum Teil als Mittelpunkt des Films durch. Dafür sind es einfach zu viele Figuren, die Nettelbeck aufeinander loslässt, die mal am Leben, mal an sich selbst, mal an den anderen verzweifeln dürfen. Teilweise ist das recht humorvoll aufgezogen. Ein Pilot, der an Höhenangst leidet? Das ist so kurios, dass sich selbst der Herr Therapeut den Kommentar nicht verkneifen kann. Sunny (Jenny Schily), die in einem Zoo arbeitet, fällt hingegen durch ihren zwanghaften Ordnungsfimmel auf, der sie mehrfach täglich Pinguine zählen lässt.

Andere Probleme sind dafür umso alltäglicher. Vor allem der Dauerbrenner Gefühle stellt die Ansammlung mehr oder weniger angeknackster Persönlichkeit vor regelmäßige Schwierigkeiten. Die einen können keine Gefühle zulassen, wollen sie nicht wahrhaben, wollen vielleicht nicht darüber reden. Andere reden dafür umso mehr, in einer ziemlichen Lautstärke: Gerade bei Loretta gleicht der Haushalt oft einem Kriegsschauplatz, wenn sie und ihre ältere Tochter sich Wortgefechte führen. Aber das gehört dazu, so lernen wir gegen Ende. Teenagerinnen müssen ihre Mütter hassen, sonst stimmt da etwas nicht.

Warmherzige Weisheiten
Diese Aussage kann man nun unterstreichen oder nicht, sie steht auf jeden Fall stellvertretend für ein ganzes Buch aus großen und kleinen Weisheiten, die Nettelbeck dem Leben entnommen hat. Denn sie alle müssen hier ein wenig lernen, sich Ängsten stellen. Das geschieht jedoch nie von oben herab oder mit einem erhobenen Zeigefinger. Was uns nicht umbringt, das auf dem Locarno Festival 2018 Premiere feierte, bleibt immer nah an den Figuren, begegnet ihnen mit viel Sympathie und Wärme. Vor allem die Beziehung von Sunny zu ihrem Kollegen Hannes (Bjarne Mädel, 1000 Arten Regen zu beschreiben) ist wunderbar, weil die beiden Neurotiker ganz schön damit zu kämpfen haben, ihr Inneres zu erkennen und in Worte zu fassen.

Bei anderen Figuren ist es hingegen etwas schwieriger anzudocken. Der Grund: Sie gehen zu sehr in der Masse unter. Knapp 20 Figuren sind es, die sich in Was uns nicht umbringt verirren, mal gemeinsam, mal alleine. Das macht es manchmal nicht nur ein wenig schwierig, den Überblick zu behalten, gerade auch wenn jemand mal wieder längere Zeit auf Tauchstation gegangen ist. Nachvollziehbar ist ohnehin nicht alles, was die hier so treiben. Soll es aber auch nicht: Die Tragikomödie feiert die Menschen, feiert das Leben, feiert die Stolpersteine, die einen dort so erwarten. Das ist teilweise traurig, gerade bei der Geschichte um Fritz und seine sterbende Liebe heißt es tapfer sein. Nettelbeck reicht dem Publikum aber selbst dann noch die Hand, muntert auf, tröstet, zeigt wie wir selbst aus den schlimmsten Krisen wieder herausfinden können – sofern sie uns nicht vorher umgebracht haben.



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„Was uns nicht umbringt“ versammelt fast 20 Charaktere, die alle irgendwie mit dem Leben zu kämpfen haben. Das ist mal traurig, teils skurril, zuweilen auch recht unübersichtlich, da manch einer hier etwas in der Masse untergeht. Und doch begegnet die Tragikomödie den Figuren mit viel Wärme, gibt auch dem Publikum bei all den Problemen immer kleine tröstliche Weisheiten mit auf den Weg.
8
von 10