Die Augen sind groß, als Ben Burns (Lucas Hedges) auf einmal vor ihnen steht, so kurz vor Weihnachten. Geplant war das nicht oder auch abgesprochen. Denn eigentlich befindet er sich ja mitten im Drogenentzug in einer Klinik. Während seine Mutter Holly (Julia Roberts) überglücklich ist, ihn zu sehen, hält sich die Begeisterung bei seiner Schwester Ivy (Kathryn Newton) und Stiefvater Neal (Courtney B. Vance) eher in Grenzen. Zu sehr stecken die Erinnerungen an die katastrophale letzte Begegnung in ihren Köpfen. Als es bald zu ersten Problemen kommt, fühlen sie sich in ihrer Skepsis bestätigt. Doch für Holly steht fest, dass sie selbst dann zu ihrem Sohn halten muss, komme, was wolle.
Nach einem vielbeachteten Trio an Filmen, in denen Lucas Hedges in Nebenrollen brillierte – den jeweils oscarnominierten Manchester by the Sea, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri und Lady Bird – wagt sich der Nachwuchsdarsteller jetzt endlich an diverse Hauptrollen heran. Und er zeigt auch da eine einsame Klasse, sowohl bei der Auswahl der Stoffe wie auch bei der Umsetzung. Und er zeigt eine Vorliebe für harte Stoffe. Denn hart ist Ben Is Back ohne jeden Zweifel, sogar von einer zeitweise fast schon unerträglichen Intensität.
Was stimmt mit denen nicht?
Zu verdanken hat Lucas das seinem Vater Peter Hedges, der hier Regie führte und das Drehbuch schrieb, der auch für seine Romane und Theaterstücke Renommee genießt. Wobei das Drehbuch an sich nur streckenweise überzeugt. Genauer ist es die erste Hälfte, die Ben Is Back zu einem ganz besonderen Film macht. Ohne viel zu verraten merken wir hier zwar schnell, dass das Verhältnis zwischen Ben und dem Rest der Familie mindestens schwierig ist. Die Gründe dafür bzw. die Vorgeschichte der Burns, die erfahren wir nur nach und nach und oft auch nur beiläufig. Das Drama, das auf dem Toronto International Film Festival 2018 Premiere feierte, gibt sich hier betont unspektakulär.
Während Hedges hier den Alltag einer von Drogen geplagten Familie zeigt und ein mitreißendes Porträt eines Junkies anlegt, soll die zweite Hälfte deutlich dramatischer werden. Auch das hat seine Momente, wenn der Film demonstriert, was das eigentlich alles bedeuten kann, abhängig zu sein. Die Hilflosigkeit auch der Leute, die mitansehen müssen, wie sich ein geliebter Mensch selbst zugrunde richtet. Insgesamt hat es Ben Is Back aber offensichtlich sehr eilig, wirklich alles unterzubringen, was es zum Thema zu sagen gibt. Darunter leidet das Gefühl der Alltäglichkeit, welches das Drama zunächst noch auszeichnet. Die Geschichte wird zu einer Anekdotensammlung, die sich zu weit von den Figuren entfernt, einige von ihnen auch komplett vergisst.
Ende gut, alles doof?
Besonders unglücklich wird das zum Ende, wenn Ben Is Back auf einmal zu einem eindeutigen Hollywood-Film wird – was in dem Kontext kein Kompliment sein soll. Die Ereignisse überschlagen sich, es soll mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln Spannung und Gefühle erzwungen werden. Dabei hätte es das alles gar nicht gebraucht. Die stärkeren Szenen sind diejenigen, die sich allein mit den Charakteren befassen, gerade auch der besonderen Beziehung zwischen Holly und ihrem Sohn. Denn auch Roberts liefert hier eine sehr gute Performance ab, ihre beste seit vielen Jahren. Wie sie um ihr Kind kämpft, mal verzweifelt, mal unsicher, mal mit einer Wut, die es einem eiskalt den Rücken hinunterlaufen lässt, das sind die eigentlichen Momente, die zu Herzen gehen.
Aber auch wenn der Film sein hervorragendes Niveau nicht durchhält, sich unnötig selbst sabotiert, er ist und bleibt ein starker Beitrag zum Thema Drogensucht. Ben ist dabei natürlich die spannendste Figur, wenn Liebenswürdigkeit und destruktive Tendenzen Hand in Hand gehen, man ihm so sehr das Glück wünschen würde und doch mitansehen muss, wie er alles wegwirft. Er ist wieder da, wie der Titel verrät, und ist es doch nicht. So wie er nie fortgegangen ist, noch immer sein Einfluss zu spüren ist, bei den anderen, bei der Angst. Bei den Menschen, deren Leben er zerstört hat, während jeder Tag aufs Neue beginnt, die Suche weitergeht, die Sucht weitergeht. Die Tragik darin liegt, dass nicht einmal ein konstruiertes Happy End das Glück bringen kann. Weil es nicht wirklich glücklich ist. Und auch nicht wirklich ein Ende. Also zählen wir weiter, Tag für Tag, verstecken das Geld, verstecken die Drogen, verstecken uns selbst, während wir darauf warten, dass Ben zurückkommt. Wo auch immer er jetzt ist.
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