Die hoch schwangere Malorie (Sandra Bullock) ist gerade mit ihrer älteren Schwester unterwegs, als ihre Heimatstadt von einem seltsamen Phänomen heimgesucht wird. Urplötzlich verlieren alle die Kontrolle über sich, nehmen sich das Leben und reißen auch andere mit in den Tod. Im letzten Moment schafft sie es in ein nahegelegenes Haus zu flüchten, in dem sich eine Reihe von Leuten verschanzt haben. Doch die Gefahr lauert immer noch da draußen und wird, so scheint es, durch einen ganz einfachen Mechanismus ausgelöst: Man muss nur die Augen offenhalten. Während die eingesperrte Truppe fieberhaft nach einem Ausweg sucht, werden die Spannungen untereinander immer größer. Denn wem kann man in dieser Situation noch trauen?
Natürlich liegt der Vergleich auf der Hand, wird auch von nahezu jedem gezogen. Es ist aber auch zu auffällig, wie einige Monate nach A Quiet Place erneut ein Endzeitthriller erscheint, in dem eine Familie sich gegen seltsame Monster zur Wehr setzen muss und dabei eine Sinneswahrnehmung eine große Rolle spielt. Wo es beim Kollegen jedoch das Hören war, das allen zum Verhängnis werden konnte – dort durfte niemand ein Geräusch machen –, müssen sich die Protagonisten in dem Netflix-Film Bird Box ihre Augen verbinden, um irgendwie heil aus der Sache zu kommen.
Auch eine blinde Frau findet die Gefahr
Zumindest die Hälfte des Films besteht dann auch daraus, wie Sandra Bullock (Gravity) und andere blind durch die Gegend stolpern, nur kurze Schemen und Helligkeitsunterschiede durch die Stoffe wahrnehmen. Da darf man sich natürlich auf Anhieb fragen: Lässt sich daraus ein wirklicher Film machen? Ist das spannend, wenn man blinde Leute durch die Gegend hetzt? Oder sieht es nicht vielleicht ein bisschen lächerlich aus? Die Antwort: Beides stimmt irgendwo.
An manchen Stellen ist es tatsächlich packender, wenn wir nur bunte Schatten umherhuschen sehen, während drumherum fiese Geräusche zu hören sind. Denn offensichtlich haben die Monster die Fähigkeit, auch akustische Reize zu nutzen, um die Opfer anzulocken und ins Verderben zu locken. Woher sie diese Fähigkeiten haben, wird nicht verraten, auch nicht woher die Monster selbst kommen und was sie damit beabsichtigen. Denn ein erkennbarer Sinn steckt nicht hinter der Anleitung zum Massenselbstmord. Zu sehen bekommen wir die Aggressoren natürlich ebenso wenig, zumindest nicht direkt. Nur eine Szene deutet an, welcher Horror der Anblick bereithält.
Zwei Stränge, doppelter Spaß?
Während das Szenario und die damit verbundenen Geheimnisse aber durchaus reizvoll sind, ist der Film selbst eher langweilig. Bird Box erzählt dabei parallel zwei Handlungsstränge. Der erste zeigt sie, wie sie und zwei Kinder auf einem Fluss entlangpaddeln, brav mit verbundenen Augen. Der andere berichtet von den Ereignissen in dem Haus. Und irgendwie schaffen es beide Stränge nicht, dauerhaft die Spannung hochzuhalten. Die Flussszenen leiden unter der quasi durch die Geschichte vorgegebenen mangelnden Abwechslung. Denn so richtig viel Variationsmöglichkeiten bietet es nicht, wenn drei nicht-sehende Menschen durch die Gegend flüchten. Der harte Umgang von Malorie zu den namenlosen Kindern schockiert, fesselt aber nicht.
Aber auch die Hausszenen enttäuschen. Das liegt zum einen daran, dass durch den früh etablierten Zeitsprung einige Entwicklungen bereits vorweggenommen werden. Aber auch die Szenen und Figuren setzen sich aus wenig inspirierter Standardware zusammen. Die Besetzung ist natürlich überaus prominent, unter anderem werden hier John Malkovich, Trevante Rhodes (Moonlight), Jacki Weaver und Tom Hollander ums Überleben kämpfen. Nur haben sie eben wenig Material, mit dem sich wirklich etwas anfangen ließe. Und auch Regisseurin Susanne Bier (The Night Manager) und dem ebenso genreerfahrenen Drehbuchautor Eric Heisserer (Arrival) will partout nichts einfallen, das diesen Überlebenskampf von den vielen anderen unterscheidet, die Kino und Home Entertainment so ausspucken. Das ist insgesamt solide, wer einen neuen Endzeit-Horror braucht, macht hiermit nichts verkehrt. Bei einem derart ungewöhnlichen Szenario und den vielen großen Namen, die an dem Projekt beteiligt sind, ist das Ergebnis aber schon recht dünn und austauschbar, zudem mit deutlichen Längen.
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