Nein, einfach ist Jacob (Luke Prael) sicherlich nicht. Abgesehen davon, dass er seine Mutter und seinen Stiefvater mit seinen nächtlichen Angstattacken in den Wahnsinn treibt, ist es vor allem ein Zwischenfall, der für Befremden sorgt: Jacob tanzt in dem Kleid seiner verstorbenen Großmutter. Ganz klar, mit dem Jungen stimmt was nicht. Und so wird er auf das von Dr. Sherman (Will Patton) und seiner Frau (Tammy Blanchard) geleitete Internat gesteckt. Dort ist er beileibe nicht der einzige Problemfall, sämtliche Kinder haben mit irgendwelchen Schwierigkeiten zu kämpfen – oder verursachen sie. Als jedoch eines davon tot aufgefunden wird, dämmert es Jacob, dass an der Schule noch sehr viel mehr nicht stimmt.
Eines muss man Boaz Yakin ja alles: Man weiß bei dem US-Filmemacher nie, was einen erwartet, wie ein Blick auf seine aktuelle Filmografie zeigt. So schrieb er die Drehbücher zur Videospieladaption Prince Of Persia: Der Sand der Zeit und zum humorvoll-magischen Heist Movie Die Unfassbaren – Now You See Me, als Regisseur drehte er zuletzt den Actionstreifen Safe – Todsicher sowie den Kinderfilm Max. Und nun Boarding School, das man am ehesten noch als Horror bezeichnen würde. Ein sehr kurioser Horror jedoch. So kurios, dass sich manche fragen werden, ob das nicht vielleicht doch eine schwarze Komödie sein sollte.
Viel Stille um nichts
Ein Grund dafür: Boarding School ist nicht spannend. Zumindest nicht so wirklich. Lange spielt Yakin mit einer mysteriösen, ominösen Atmosphäre, ohne dass dieser jedoch großartig Taten folgen sollen. Genaugenommen passiert sogar ausgesprochen wenig in den Hallen des Internats, sieht man einmal von den fragwürdigen Lehrmethoden der Shermans ab. Zu wenig für einen Film, der immerhin 110 Minuten Lebenszeit für sich einfordert. Vielleicht um das dann auszugleichen, gibt es zum Schluss dafür umso mehr Action, die gern auch etwas überzogen ausfallen darf.
Dabei sind die bösen Elemente des Beitrags vom Fantasy Filmfest 2018 gar nicht die, welche den üblichen Blut- und Totschlag-Bedürfnissen des Horrorgenres entsprechen. Yakin hat eine viel gemeinere Idee, einfach und doch perfide. Das Grundszenario mit einem großen historischen Verbrechen gleichzusetzen, welches mit der Nebengeschichte um Jacobs Oma beginnt, das ist gewagt. So wie einiges hier gewagt ist. Die Kinder schwanken irgendwo zwischen tragisch und gestört, bald droht auf jeden Schritt der Abgrund, wohin man auch seine Füße lenken mag.
Ein schöner Ort des Schreckens
Diese Ansammlung von geschundenen Freaks findet ein visuelles Gegenstück in den nicht ganz so ehrenvollen Gemäuern, in denen ein Großteil des Films spielt. Yakin und sein Kameramann Mike Simpson verlieren sich in Farblabyrinthen und Bildern, die so unheilvoll vibrieren, als würde jeden Moment die Schule in die Luft fliegen. Das tut sie dann nur im übertragenen Sinn, wenn einem die Geschichte von
Boarding School alles um die Ohren haut, was zuvor noch da war. Es ist der uninteressanteste Teil eines ansonsten durchaus interessanten Films, der vieles ausprobiert, vieles wagt, ohne Rücksicht auf Verluste und Befindlichkeiten.
Nicht alles davon überzeugt, irgendwie ist Boarding School ein einziges Durcheinander von verschiedenen Ideen, von Coming-of-Age über Gesellschaftskritik bis Massaker-Horror. Es ist noch nicht einmal ein wirklich spaßiges Durcheinander, da das Versprechen auf Trash oder Satire nie eingelöst wird. Stattdessen drehte Yakin einen Film über allgegenwärtige Monster und über den Kampf gegen diese, der einen selbst in ein Monster verwandeln kann. Gut und böse sind hier kaum mehr voneinander zu trennen, da der Horrorstreifen eine Welt aufzeigt, in der für das Gute überhaupt kein Platz mehr ist. Nicht einmal in dem gottgläubigen Internat.
(Anzeige)