Eigentlich hatte Ralph es ja nur nett gemeint, als er für seine Freundin Penelope deren Rennspielautomaten Sugar Rush etwas aufregender gestalten wollte. Stattdessen ist er nun kaputt. Ersatzteile hierfür gibt es zwar, die sind aber selten und teuer – schließlich gehören Automaten der Vergangenheit an. Die Zukunft, die bedeutet Internet, wie die zwei und die anderen virtuellen Bewohner der Spielhalle feststellen müssen. Der Zutritt in diese neue Welt ist ihnen zwar an und für sich verboten. Doch die Aussicht, dort das benötigte Ersatzteil zu finden, verlasst die beiden Freunde, dorthin zu reisen. Tatsächlich werden sie bald fündig, ein Auktionshaus bietet das begehrte Teil an. Aber dafür brauchen sie Geld, viel Geld. Und die Zeit ist knapp. Glücklicherweise lässt sich jedoch gerade im Internet richtig Geld verdienen, ein bisschen Mut vorausgesetzt.
Die besten Animationsfilme von Disney boten immer etwas für jüngere wie ältere Zuschauer. Selten aber war ein Werk des Traditionshauses so sehr für beide Enden des Spektrums gedacht wie Ralph reichts 2012. Auf der einen Seite gab es viel Action, bunte Bilder und die Geschichte einer großen, wenn auch ungleichen Freundschaft. Auf der anderen Seite war der Film aber auch eine Hommage an die Videospielautomaten der 70er und 80er, war so vollgestopft mit Anspielungen, Gastauftritten und Erinnerungen, dass man als Gamer jenseits der 30 gar nicht mehr aus dem Grinsen herauskommen konnte.
Ein Film am Puls der Zeit
Das ist bei Chaos im Netz, das sechs Jahre später die zwei Helden auf ein neues Abenteuer schickt, deutlich anders. Anstatt wie seinerzeit den Blick in die Vergangenheit zu richten und an das nostalgische Grundbedürfnis des Publikums zu appellieren, ist Disney hier komplett in der Gegenwart verankert. Das macht den Film einerseits noch etwas zugänglicher: War der Spaß bei Ralph reichts am höchsten, wenn man einer früheren Generation angehörte und alles zuordnen konnte, sind die Verweise hier für jeden offen, der Zugang zum Internet hat. Was so ziemlich jeder im Kinosaal sein dürfte. Gleichzeitig verliert der Film dadurch aber auch seine zeitlose Note. Denn viele der Witze und Situationen werden sehr viel schneller altern als die Klassiker des Vorgängers, dürften auch in Vergessenheit geraten.
Dabei sind einige der Gags durchaus clever. Und ambitioniert. Die Art und Weise, wie das Drehbuchteam Phil Johnston (Zoomania) und Pamela Ribon (Die Schlümpfe – Das verlorene Dorf) die unterschiedlichsten Internetphänomene unter einen Hut bekommt, das ist schon beachtlich. Von Suchmaschinen über dubiose Finanzierungsmittel und nervige Pop-ups bis zur Jagd nach Anerkennung und anonymen Hass, Chaos im Netz klappert alles ab, was einem zu dem Thema so einfallen kann. Wobei die besten Einfälle überhaupt nichts mit dem Netz zu tun haben: Der Auftritt der Disney-Prinzessinnen ist schon jetzt Kult, zeigt in Verbindung mit anderen gezeigten Disney-Franchises, wie groß das Potenzial eines Crossovers ist – so lange der Humor stimmt.
Vor lauter Gags die Geschichte verloren
Etwas problematisch dabei: Zeitweise verkommt Chaos im Netz auf diese Weise zu einer reinen Zitatesammlung. Vor allem im Mittelteil schwächelt der Film, wenn die zwei von einem Ort zum nächsten geschickt werden, ohne dass die Geschichte sich nennenswert weiterentwickeln würde. Dafür läuft das Ganze zum Schluss zur Höchstform auf – wortwörtlich und im übertragenen Sinne. Das Herz des verspielten Abenteuers bildete von Anfang das Gespann aus Riesenbaby und aufgewecktem Mädchen. Und zumindest hier zeigt sich Disney von einer überraschend erwachsenen Seite, wenn Freundschaften komplexer sein dürfen, als sie in solchen Filmen oft vorgelebt werden. Auch wenn der Humor und das Spektakel natürlich im Vordergrund bleiben, so manche der begleitenden Erwachsenen dürfen hier an ihre eigene Zeit zurückdenken. Eine Zeit, in der sie erkennen mussten, dass das Leben mehr ist als ein Disney-Film. Schwieriger. Trauriger.
Dass dieses emotionale Finale von einer auch visuell überwältigenden Szene begleitet wird, verstärkt die Wirkung natürlich weiter. An den Bildern gab es zuvor aber ebenso wenig etwas auszusetzen: Die Internetwelt ist so überfrachtet mit Details, dass man sich im Kino immer wieder eine Fernbedienung in die Hand wünscht, um kurz innehalten zu können. Stattdessen geht es aber mit einem Affentempo weiter – schließlich ist Penelope eine erfahrene Rennfahrerin –, wirft immer neue lustige Figuren und knallige Einfälle auf die Leinwand. Zu sehen gibt es also mehr als genug, zu lachen eigentlich auch, weshalb Chaos im Netz die derzeitige Hochphase der Disney-Animationsphase trotz kleiner Einschränkungen würdig weiterführt.
(Anzeige)