Eigentlich hatten die Ameisen ja nur ein bisschen was Süßes in dem Laden einsammeln wollen. Dummerweise wollten das die anderen Ameisen aber auch. Und die sind nicht nur zahlreicher, sondern auch richtig gemein. Als ihnen der kleine Marienkäfer zur Hilfe eilt, landet er versehentlich in einem Karton, der in die Karibik verschickt wird. Dort angekommen muss das Insekt nicht nur irgendwie einen Weg zurück in die Heimat finden, sondern sich auch mit zahlreichen heimischen Feinden herumärgern. Dabei findet er zwar glücklicherweise schnell Unterstützung. Doch auch seine neuen Freunde haben ihre Probleme, schließlich plant ein Bauunternehmen, ihre schöne Idylle abzureißen und gegen ein schickes Hotel zu tauschen.
Gut Ding will Weile haben. Wenn es nach Thomas Szabo und Hélène Giraud gegangen wäre, sie hätten ihre 2004 gestartete Serie Die Winzlinge schon vor ewigen Zeiten in die Karibik verlegt, genauer auf das Inselparadies Guadeloupe. Aber der Aufwand war zu hoch, die Kosten für das Unternehmen kaum zu rechtfertigen. Inzwischen sieht das ein wenig anders aus, denn aus den kleinen TV-Helden sind echte Stars geworden. 1,5 Millionen Besucher hat der erste Kinofilm Operation Zuckerdose allein in Frankreich in die Kinos gelockt, weltweit waren es mehr als zehn Millionen Menschen. Mit diesem beachtlichen Erfolg im Rücken durften dieses Mal dann doch die Koffer gepackt werden, menschliche wie tierische.
Realität ist für andere da
Das Prinzip ist dabei dem des Vorgängers oder der Serie treu geblieben. Noch immer erzählen die beiden Franzosen, die sich Regiestuhl und Drehbuch teilten, die Geschichte von Insekten, die im Alltag ganz schöne Abenteuer zu überstehen haben. Wobei der Alltag dieses Mal weniger alltäglich ausfällt. War Operation Zuckerdos bei aller humorvoller Übertreibung doch noch an dem orientiert, was die sechsbeinigen Krabbelviecher so in der Natur erwartet, hat das hier nur noch gelegentlich mit der Realität zu tun. Gerade zum Ende hin wird es sogar etwas zu fantastisch, was den Film ein klein wenig weniger charmant macht als den vorangegangenen Überraschungshit.
Ansonsten aber hat Abenteuer in der Karibik die Qualitäten des ersten Films beibehalten, in mancher Hinsicht noch etwas erhöht. Das fängt bei den Bildern an, die noch immer eine Augenweide sind. Erneut besteht der Film größtenteils aus realen Aufnahmen – dieses Mal eben in der Karibik –, in die am Computer generierte Figuren gesetzt wurden. Auch die sind grundsätzlich an dem wirklichen Erscheinungsbild der Insekten angelehnt, aber durch kleine Comicelemente individualisiert. So haben die meisten Protagonisten riesige Glubschaugen, die in dem Rahmen so deplatziert wirken, dass sie allein deshalb schon komisch sind.
Tierisch komische Abenteuer
Der Realfilm-/CGI-Mix, der auf dem Toronto International Film Festival 2018 Premiere feierte, gibt aber auch anderweitig Gründe zum Lachen, mindestens zum Lächeln. Anspruchsvoll ist der Humor sicher nicht: Da Abenteuer in der Karibik erneut komplett auf Sprache verzichtet, stammen die Witze meistens aus dem Slapsticklager. Da dürfen Insekten schon mal pupsen, sich große Verfolgungsjagden liefern oder einige Missgeschicke ausbaden. Also eigentlich genau das, was die meisten anderen Animationsfilme für ein junges Publikum auch machen. Der Unterschied: Die Winzlinge tun das mit so viel Charme, dass man selbst mit großen Augen auf die Leinwand starrt und sich wie ein Kind fühlt.
Pluspunkte sammelt der Film zudem durch seine ökologische Botschaft und das gewohnte Plädoyer für Teamgeist, über alle Tierarten hinweg. Geradezu gespenstisch schön ist auch eine Passage, die in dem Umfeld zwar erstaunlich düster ist, jedoch unglaublich viel Emotion in den gut gelaunten Quatsch bringt. Szabo und Giraud zeigen hier, sowie an anderen Stellen, dass sie nicht nur die Kunst der wortlosen Kommunikation perfektioniert haben. Sie schaffen es auch, selbst innerhalb des engen, seit Jahren verwendeten Rahmens immer wieder kleine Überraschungen einzubauen, die dazu beitragen, dass ein gewöhnlicher Insektenfilm zu einem ganz ungewöhnlichen Kinoerlebnis wird.
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