Gegen den Strom Woman at War
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Gegen den Strom Woman at War
„Gegen den Strom“ // Deutschland-Start: 13. Dezember 2018 (Kino) // 12. April 2019 (DVD)

Wer Halla (Halldóra Geirharðsdóttir) im Alltag erlebt, der würde wohl kaum ahnen, dass die freundliche, unauffällige Chorleiterin ein Doppelleben führt. Ein ausgesprochen gewaltsames Doppelleben sogar. Unter dem Namen „Bergfrau“ verübt sie schon seit einiger Zeit Anschläge auf Unternehmen und das Stromnetz, um damit gegen die Ausbeutung der Natur vorzugehen. Vor allem die geplante chinesische Beteiligung bei den Unternehmen Islands sieht sie kritisch und versucht sie mit allen Mitteln zu verhindern. Doch der Kampf wird immer riskanter, immer wieder droht ihre Tarnung aufzufliegen. Dabei hätte sie auch so genug zu tun, schließlich plant sie, ein kleines Mädchen aus der Ukraine zu adoptieren.

Dass Benedikt Erlingsson einen etwas eigenen Humor pflegt, das hat er vor einigen Jahren in seinem Film Von Menschen und Pferden bewiesen. Damals nahm uns der isländische Regisseur und Drehbuchautor mit in seine Heimat, um in zahlreichen Episoden von seinen zwei- wie vierbeinigen Landsleuten zu erzählen. Auch in seinem neuesten Werk Gegen den Strom erzählt er von den Gepflogenheiten auf der kleinen europäischen Insel, tut dies mit viel skurrilem Witz. Und doch ist der zweite Spielfilm des ansonsten eher als Schauspieler tätigen Künstlers sehr viel universeller.

Eine ungewöhnliche Heldin
Gegen den Strom lautet der deutsche Titel, der im Vergleich zur internationalen Variante Woman at War viel weniger martialisch klingt. Ein bisschen beliebig. Aber er erweist sich als sehr doppeldeutig, wenn schon früh im Film Halla ihren ersten Anschlag verübt, indem sie mit einer erstaunlichen Professionalität Strommäste sabotiert. Dieser Kontrast zwischen der ansonsten so unscheinbaren Protagonistin und ihren gewaltsamen Taten fällt natürlich früh auf. Er macht sogar einen Teil des Reizes aus. Eine unbedeutende Frau Ende 40 schafft es, die komplette Wirtschaft und die Polizei zum Narren zu halten? Das erfreut das Herz des Publikums, kombiniert den Kampf David gegen Goliath mit etwas Robin-Hood-Selbstjustiz.

Zweifel an ihren Taten hat Halla dabei nicht. Auch Erlingsson macht keinen Hehl daraus, dass sie die Heldin des Films ist, selbst wenn sie vielleicht nicht unbedingt als Vorbild taugt. Das ist aber auch schon mehr oder weniger das einzige an Gegen den Strom, das wirklich definitiv ist. Schon die Einteilung in ein Genre gestaltet sich hier erstaunlich schwierig. Der grundsätzliche Kampf gegen die Unternehmen bzw. für die Natur macht aus dem Film einerseits einen Öko-Thriller. Andererseits ist die Geschichte von Halla auch das Porträt einer nicht mehr jungen, einsamen Frau, die auf der Suche nach einem Sinn in ihrem Leben ist. Und dann wäre da noch der besagte Humor.

Zwischen allen Fronten
Manche der Witze sind skurril bis surreal, wenn Erlingsson beispielsweise als Running Gag der Musik sehr viel mehr Platz in seinem Film einräumt – wortwörtlich. Ein zweiter ist hingegen ausgesprochen böse, wenn ein spanischer Tourist immer wieder als Sündenbock für alles herhalten muss. Warum es ausgerechnet ihn erwischt, das wird nie ausgesprochen. Eindeutig ist es aber auch so: Gegen den Strom rechnet mit einer übergriffigen Polizei ab, die nichts für Fremde übrig hat. Vor allem nicht solchen, die auch wirklich fremd aussehen.

Das Ergebnis ist ungewöhnlich, für ein größeres Publikum vermutlich auch zu ungewöhnlich. Gegen den Strom, das auf der Semaine de la Critique von Cannes 2018 Premiere feierte, ist im einen Moment überaus spannend, wenn Halla auf der Flucht vor dem Gesetz ist. Im nächsten wird es sehr komisch. Danach vielleicht auch mal rührend. Konstant sind nur die tollen Aufnahmen, die Islands Ruf als Naturschauspiel bestätigen und einen Grund mehr liefern, die Chorleiterin bei ihrem Guerilla-Kampf anzufeuern. Denn irgendwer muss es diese rauen, ursprünglichen Landschaften ja beschützen, während man selbst damit beschäftigt ist, im Kinosessel die vielfältigen Eindrücke zu verarbeiten, die dieser Ausnahmefilm so mit sich bringt.



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Wenn in „Gegen den Strom“ eine unscheinbare Chorleiterin gegen internationale Konzerne einen Guerilla-Krieg führt, dann bedeutet das nicht nur eine ungewöhnliche Heldin kennenzulernen. Der Film ist es genauso: Irgendwo zwischen Öko-Thriller, skurril-böser Komödie und persönlichem Drama angesiedelt bleibt der wunderbar bebilderte Film in Erinnerung, selbst wenn er keine wirklichen Nuancen beim Thema kennt.
8
von 10