Bei Familie Gabriel läuft es schon seit einer Weile nicht mehr rund. Die Mutter ist vor einiger Zeit gestorben, nun ist auch Tochter Sabrina (Emilia Bernsdorf) an einer unheilbaren Lungenkrankheit erkrankt. Die anderen versuchen nun jeder auf seine Weise mit der Situation umzugehen. Während sich Vater Stefan (Martin Wuttke) neben seiner Arbeit als Bademeister als Sterbebegleiter engagiert, hat sich die zwölfjährige Jessica (Ella Frey) eine ganze Reihe von Ritualen ausgedacht, um das Böse fernzuhalten. Viel gebracht hat es nicht, Sabrinas Zustand verschlechtert sich zunehmend. Als Außenseiter Jessi an der Schule Ärger bekommt, soll ein Therapeut (Christian Friedel) ihr wieder zurück ins Leben helfen. Aber das ist einfacher gesagt als getan, wenn der Tod dein ständiger Begleiter ist.
Manchmal lohnt es sich doch, ein bisschen hartnäckiger zu sein. Jahrelang hatte Anca Miruna Lazarescu an ihrem Spielfilmdebüt Die Reise mit Vater gearbeitet. Bei den Kritikern kam die feine Tragikomödie dann auch gut an, das zahlende Publikum hat sie jedoch kaum eines Blickes gewürdigt. Trotz dieses Rückschlags ist die rumänische Regisseurin derzeit aber an vielen Ecken und Enden gefragt. So wirkte sie bei der Thrillerserie Hackerville mit, wurde von Netflix umworben. Ihr zweiter Spielfilm Glück ist was für Weicheier durfte kürzlich sogar die Hofer Filmtage eröffnen – und das obwohl er eigentlich so gar kein Crowdpleaser ist.
Bitte mehr davon!
Was nicht heißen soll, dass es hier nichts zu mögen gibt. Da wäre sogar einiges. Allen voran Ella Frey (Hirngespinster) liefert hier eine derart mitreißende Vorstellung ab, dass man sich die Nachwuchsschauspielerin auf den Merkzettel schreibt und mehrfach unterstreicht. Vor allem gelingt ihr das Kunststück, einen Teenager darzustellen, der gleichzeitig außergewöhnlich und doch sehr alltäglich ist. Die erste Liebe, mit der sie sich herumplagt, das Mobbing an der Schule, die Unsicherheit. Aber eben auch die sonderbaren Rituale, die sie entwickelt hat, etwa beim Betreten eines Raumes oder im Hinblick auf Zahlen.
Glück ist was für Weicheier hält an diesen Stellen beeindruckend die Balance zwischen dem Komischen und dem Tragischen. Denn natürlich ist es irgendwo witzig, wenn Jessi die eigenartigsten Zwänge auslebt, vom Reiben ihrer überlangen Strümpfe bis zum mantraähnlichen Aufsagen von Zahlen. Aber es ist eben auch wahnsinnig traurig, wenn sie mit kindlicher Logik und zunehmend verzweifelten und kuriosen Mitteln versucht, den Tod ihrer Schwester zu verhindern. So als müsste sie nur den Schlüssel des Universums finden, um dieses bestimmen zu können.
Der Umgang mit etwas, das zu groß ist
Allgemein ist Glück ist was für Weicheier ein ganz starker Film über die Bewältigungsmechanismen, mit denen wir etwas zu begegnen versuchen, das wir gar nicht bewältigen können. Nicht so, wie wir es wollen. Aber wie will man auch bewältigen, die Ehefrau zu verlieren? Die Mutter? Nun das eigene Kind? Das von Silvia Wolkan (Sibylle) geschriebene Drehbuch mutet den Figuren jede Menge zu, tut das mal auf eine realistische, dann wieder eine völlig überzogene Weise. Das Pech, das beispielsweise Stefan verfolgt, das ist auf eine perfide Weise grotesk. So als gäbe es doch das Schicksal, einen Gott, eine unsichtbare Kraft, die es nur auf ihn abgesehen hat. Der Film macht sich dabei aber eben nicht über die Figuren lustig, nicht einmal dann, wenn sie sich lächerlich machen. Das gilt allenfalls für ein paar Nebenfiguren, die irgendwie nicht so richtig was in der Geschichte verloren haben. Doch diese kleinen Stolpersteine werden durch die vielen anderen Momente wettgemacht, die voller Wärme sind, voller skurriler Einfälle, manchmal auch voll von Schmerz.
Denn auch das gehört dazu: Anders als etwa Vielmachglas, welches den Tod als Ausrede für Feelgood-Selbstverwirklichung missbrauchte, darf das Leben hier noch wirklich furchtbar sein. Dürfen Menschen weinen angesichts der eigenen Hilflosigkeit, der Ungerechtigkeit auch. Manchmal können wir aus dem, was uns passiert, nichts lernen. Gibt es kein Glück im Unglück. Wir können nur versuchen, damit umzugehen, etwa indem wir wie hier komische Dinge tun oder die Welt mit einem Lärm zu füllen, in der Hoffnung, damit die Stille zu übertönen, selbst wenn wir genau wissen, dass sie davon nicht weggeht. Und man muss dann auch kein Weichei sein, um sich davon anstecken zu lassen und in diesem kleinen Film ein Herz zu hören, das so viel lauter schlägt als das der vielen Kollegen, die von Gefühlen reden und doch letztendlich nichts fühlen können.
(Anzeige)