Die Vorstellungskraft von Ben war eigentlich schon immer recht groß ausgefallen. Aber auch der 8-jährige Junge kann seinen Augen kaum glauben, als ihm ein magischer Pinsel in die Hände fällt. Denn mit diesem schafft er es, ein Graffiti seiner Nachbarschaft zu Leben zu erwecken. Und diese neuen Freunde kann er gut gebrauchen. Denn ob er gerade dringend Geld verdienen muss, an Wettbewerben teilnimmt oder manchmal auch einfach nur die Freuden des Sommers genießen will, ein bisschen magische Hilfe ist da nie verkehrt.
Wer sich Animationsfilme für eine jüngere Zielgruppe anschaut, der wird immer wieder über das Phänomen stolpern: laute Popsongs, welche die Geschichte überlagern, oft in den unpassendsten Momenten. Magie in Motown ist da die bemerkenswert konsequente Weiterentwicklung, wenn auch in einem ungewöhnlichen Format. Denn wie der Titel schon andeutet, steht hier Motown im Mittelpunkt, ein 1959 gegründetes Plattenlabel, das später die Heimat unzähliger R&B-/Soulkünstler wurde, darunter die Supremes, Jackson 5, Lionel Richie oder Boyz II Men.
Best of Motown
Die sind in der Netflix-Animationsserie zwar nicht direkt vertreten, dafür aber jede Menge Klassiker aus dem reichen Motown-Fundus. Stop in the Name of Love, The Tracks of My Tears und My Girl sind nur drei der zwei Dutzend Evergreens, welche hier zum Einsatz kommen und den jeweiligen Episoden auch ihre Titel gegeben haben. Besonders daran ist, dass Serienschöpfer Josh Wakely und seine Armee von Drehbuchautoren und -autorinnen nicht einfach nur die Lieder genommen und eingefügt haben. Sie versuchten vielmehr ausgehend von den Liedern Geschichten zu erzählen.
Money (That’s What I Want), das 1959 in der Interpretation von Barrett Strong einer der ersten großen Hits von Motown wurde, bildet beispielsweise die Grundlage für eine Geschichte, in der Ben und die anderen dringend Geld verdienen müssen, nachdem seine kleine Schwester dieses aus dem Sparschwein der Eltern gemopst hat. Heat Wave, 1963 ein Hit für Martha and the Vandellas, liefert den musikalischen Rahmen für eine Episode, in der die Freunde ins Freibad wollen, um der Hitze zu entkommen. Das ist als Idee schon witzig, ebenso die, dass hier Graffitis zum Leben erweckt werden. Leider macht Magie in Motown aber so gar nichts daraus. Die Verbindung von Lied zu Inhalt ist an vielen Stellen doch recht erzwungen.
Viel Musik um nichts
Sofern man überhaupt von einem Inhalt sprechen mag: Von den rund zehn Minuten, die jeder Episode für die Geschichte bleiben, geht knapp die Hälfte für das Lied drauf. Der Rest ist dann oft nur Vorbereitung, um die Bühne aufzubauen, ein leicht zu durchschauender Vorwand. Die Chance, dem jungen Publikum noch ein bisschen mehr mitzugeben, wurde vertan, die Serie ist nicht viel mehr als eine animierte Version eines Best-of-Albums vom Grabbeltisch – zumal die Interpretationen der Klassiker zu glatt sind, ohne echten Wiedererkennungswert.
Dafür ist die Serie schön bunt und gefällt mit ihrer Puppenhausoptik. Was Magie in Motown ab technischer Finesse fehlt – es hätten ruhig mehr Details sein dürfen, auch die Animationen sind nur mäßig –, das wird zumindest teilweise durch die kräftige Farbpalette ausgeglichen. Zusammen mit den bekannten Melodien reicht das hin und wieder für poppige Gute-Laune-Momente aus. Über 25 Folgen hinweg trägt das Konzept jedoch kaum. Dafür ist es dann doch zu eintönig, gewährt weder der Geschichte noch den Figuren eine Entwicklung. Auch die Möglichkeit, das Graffiti zu erweitern und so für mehr Abwechslung zu sorgen, wurde aus unverständlichen Gründen nicht genutzt. Wirklich magisch ist das nicht, was hier passiert.
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