Bislang waren der Kleinkriminelle Waël (Kheiron) und die Rentnerin Monique (Catherine Deneuve) mit ihren kleinen Gaunereien ganz gut über die Runden bekommen. Bis sie eines Tages Victor (André Dussollier) über den Weg laufen, einem alten Bekannten von Monique. Denn der durchschaut die Machenschaften der zwei sofort und zwingt sie, für ihn zu arbeiten, um einer Anzeige zu entkommen. Hilfe kann er bei seinem Lehrprojekt für schwierige Jugendliche schließlich gut gebrauchen. Während Monique ihm nun als Sekretärin zur Hand geht, soll sich Waël um sechs Jugendliche kümmern, die alle ihre Probleme mit sich herumschleppen.
In Deutschland dürfte Kheiron eher weniger Leuten ein Begriff sein. In Frankreich genießt der gebürtige Iraner mit dem bürgerlichen Namen Manouchehr „Nouchi“ Tabib aber durchaus größere Bekanntheit, vor allem für sein komödiantisches Talent. Das zeigt er auch in den Filmen, die er inszeniert, wenngleich er dort doch mit einem spürbaren Bedürfnis antritt, etwas über die Welt zu erzählen. In dem autobiografisch gefärbten Nur wir drei gemeinsam, seinem Debüt als Regisseur und Drehbuchautor, verarbeitete er die hochdramatische Geschichte seiner Eltern, die aus dem Iran hatten fliehen müssen. Nun nimmt er sich in Wilde Kräuter gleich einem ganzen Strauß schwieriger Themen an.
Nimm’s mit Humor
Natürlich verpackt Kheiron diese Problemfelder aber erst einmal mit viel lustigem Geschenkpapier. Wenn ein Mann ohne Perspektive und eine Rentnerin gemeinsam im Pariser Banlieu leben und sich über Wasser halten, indem sie anderen ihr Essen klauen, dann ist das erst einmal eine ziemlich bittere Situation. Nur meistern die zwei das hier mit so viel absurder Kaltschnäuzigkeit und gegenseitigen Sticheleien, dass man eben doch darüber lacht, wenn sie sich mit dem teuer erkauften Lebensinhalt wohlmeinender Mitbürger aus dem Staub machen.
Und das gilt dann auch für die Jugendlichen, mit denen Waël sich in der Folgezeit herumplagen muss. Mit viel Einfallsreichtum schafft er es nicht nur, ihnen wider ihren Willen etwas beizubringen, sondern auch, dass sie sich langsam öffnen. Schön ist es nicht, was wir hier zu sehen bekommen, von Missbrauch über Diskriminierung bis zu emotionaler Unsicherheit und Kriminalität ist alles dabei, was das Leben eines Jugendlichen so kaputt machen kann. Dass Wilde Kräuter sich der Themen annimmt, ist daher schon den einen oder anderen Sympathiepunkt wert.
Kräuter mit kurzen Wurzeln
So richtig viel Tiefgang sollte man sich davon aber nicht versprechen, dafür packt Kheiron auch einfach zu viele Themen an. Die Hintergründe sind auch etwas ungleich verteilt. Während manche Figuren sehr viel auf den Weg mitbekommen, erfährt man über andere herzlich wenig. Und natürlich läuft das hier auch auf die üblichen Wohlfühlauflösungen hinaus: Jeder hat zum Ende etwas dazugelernt, sein persönliches Glück gefunden oder zumindest erste Schritte unternommen, dass er dorthin kommt. Das ist nicht unbedingt realistisch, teilweise sogar geradezu märchenhaft-verklärt. Aber es ist eben auch irgendwie schön, wie der Netflix-Film suggeriert, dass alles am Ende in Ordnung kommen kann, so bitter und finster es zwischendrin auch aussehen mag.
Zudem macht es natürlich Spaß, den drei erwachsenen Darstellern bei ihrer Arbeit zuzusehen. Vor allem die Mogeleien zu Beginn und die bissigen Wortwechsel zwischen den Protagonisten bereiten doch jede Menge Vergnügen. Altstar Catherine Deneuve (Der Flohmarkt von Madame Claire) darf hier besonders zeigen, dass sie mit Mitte 70 noch immer nicht zum alten Eisen gehört, und liefert mit ihrer kleinen Spätromanze noch etwas fürs Herz. Gleiches gilt natürlich auch für die zeitlich versetzte Parallelhandlung, die uns mehr über die Hintergründe verrät. Wer für diese Art Film empfänglich ist, Komisches mit Ernstem bis Besinnlichen kombiniert sehen mag, der findet hier einen wirklich netten Film, der zwar nichts groß anders macht, aber eben doch sympathisch ist.
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