Schlimmer hätte es für Keda (Kodi Smit-McPhee) nicht kommen können. Von vornherein tat sich der junge Mann, der während der letzten Eiszeit lebte, schwer damit, Tiere zu töten. Als er zusammen mit seinem Vater Tau (Jóhannes Haukur Jóhannesson) und dessen Clan auf die Jagd geht, läuft dann auch alles verkehrt, bei einem tragischen Unfall stürzt er von der Klippe. Er überlebt zwar auf wundersame Weise, muss sich nun aber allein durch die Wildnis schlagen. Oder fast allein: Während seiner Wanderung begegnet er einem Wolf, der zunächst in Keda nur eine leichte Beute sieht, nach und nach aber zu einem wertvollen Begleiter wird.
Alpha ist einer dieser Filme, die man gesehen haben muss, um an deren Existenz glauben zu können. Und selbst dann könnte man seine Schwierigkeiten haben, das eben Gesehene als Realität zu akzeptieren und nicht etwa als Folge von zu viel Alkohol oder zu wenig Schlaf. Vielleicht auch beides. Zunächst einmal sticht die Sprache hervor: In der Original-Fassung sprechen sämtliche Figuren eine fiktive Fantasiesprache, welche den Anschein erwecken soll, mehr als 20.000 Jahre in die Vergangenheit gereist zu sein. Während die deutsche Version synchronisiert wurde, hieß es ausgerechnet in den USA Untertitel lesen – dem notorischen Untertitel-Verweigerer-Land.
Die reale Fantasie
Während Regisseur Albert Hughes, der hier eine eigene Geschichte verfilmte, an der Stelle auf maximalen Pseudorealismus setzte und selbst einen Zuschauerschwund dafür in Kauf nahm, sind die Bilder das genaue Gegenteil. Alpha verwendet so viele computergenerierte oder extrem bearbeitete Bilder, dass der Film als solches immer sehr künstlich wirkt. Durch die eiszeitliche Wildnis zu wandern, das gleicht mehr dem Ausflug in ein Comicbuch. Wo beispielsweise der prinzipiell ähnlich angelegte Kollege Der Mann aus dem Eis auf eine in sich stimmige, naturalistische Atmosphäre setzte, in der Kämpfe noch Kämpfe sein durften, Dreck nach Dreck schmeckte, da hat das hier immer etwas seltsam Unwirkliches an sich. Etwas Traumartiges.
Nicht ganz unschuldig daran: Alpha, alternativ als Alpha – Der den Wolf zähmt bekannt, pfeift inhaltlich auf jede Form von Realismus. Schon die Jagd, bei der es zu dem verheerenden Unglück kommt, fällt eher unter die Kategorie kurios als spannend. Und das ist nur der Anfang, denn je weiter der Film voranschreitet, umso absurder wird das Geschehen. Mensch und Tier verhalten sich nicht so, wie man es erwarten sollte. Das Wetter macht, was es will. Distanzen ergeben keinen Sinn mehr. Von dem vollends konstruierten Ende ganz zu schweigen, das eher die New-Age-Variante eines historischen Abenteuers darstellt.
Bilder zum Verlieben und Verlieren
Darauf muss man sich einlassen können, eins werden mit einer Welt, die rau und surreal in einem ist. Wer das kann, auf den wartet eine ganz eigene Reise, mit einem ganz eigenen Charme. Denn so übertrieben die Bilder auch sind, so schön sind sie anzusehen. So abwechslungsreich sind sie auch. Von kargen Steppen über dichte Wälder bis zu endlosen Eisweiten reicht das Angebot, durch welche unsere Protagonisten stapfen müssen. Dass währenddessen nicht viel erzählt wird, ist nicht weiter tragisch, man leistet den Figuren auch so gern Gesellschaft.
Das natürlich zu einem wesentlichen Teil an der prima Besetzung. Im Mittelpunkt steht dabei zweifelsfrei der Tschechoslowakische Wolfhund Chuck, welcher Alpha „spielen“ darf und dabei die gesamte Bandbreite vom bedrohlichem Zähnefletschen bis zu knuddeligen Treudoofblicken drauf hat, die so manche Kinderaugen strahlen lassen würden. Aber auch Kodi Smit-McPhee (Slow West) kann sich mehr als sehen lassen als Jüngling, der über sich hinauswachsen und eine innere Stärke entdecken muss. Der vor allem beweist, dass es auch anders geht, als es alte Traditionen vormachen, indem er ein Leben mit, nicht gegen die Natur sucht. Das kann man nun schön oder kitschig finden, eine Alternative zu der anfangs angedeuteten Machoidealisierung ist das hier allemal. Und eine Alternative zu normalen Filmen auch.
OT: „Alpha“
AT: „Alpha – Der den Wolf zähmt“
Land: USA
Jahr: 2018
Regie: Albert Hughes
Drehbuch: Daniele Sebastian Wiedenhaupt
Musik: Joseph S. DeBeasi
Kamera: Martin Gschlacht
Besetzung: Kodi Smit-McPhee, Jóhannes Haukur Jóhannesson
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