Free Solo

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Free Solo
„Free Solo“ // Deutschland-Start: 21. März 2018 (Kino)

Alex Honnold ist ein ungewöhnlicher Mensch. Ein Mensch, der es schafft die unterschiedlichsten Gefühle in einem auszulösen. Die widersprüchlichsten Gefühle. Gefühle, die sich abwechseln, sich manchmal auch überlappen. Beispielsweise sieht man ihm sehr gerne zu, kann sich gar nicht sattsehen. Und doch will man gar nicht so genau hinsehen, würde sich hin und wieder wünschen, ganz woanders zu sein, ihm vielleicht auch an einem ganz anderen Ort begegnet zu sein. Andererseits: An einem anderen Ort wäre er eben nicht Alex Honnold.

Schon als Kind kletterte er gerne, so lernen wir irgendwann in Free Solo. Damals waren es Bäume oder auch Gebäude. Nun ist er Anfang dreißig, hat sich aber noch immer viel von seinem kindlichen Gemüt bewahrt. Vor allem aber hat er sich die Vorliebe fürs Klettern bewahrt. Und je größer er wurde, umso größer wurden auch die Objekte, auf die er stieg. El Capitan beispielsweise. Dabei handelt es sich um einen bis zu 1000 Meter hohen Felsvorsprung im kalifornischen Yosemite-Nationalpark, der teils komplett senkrecht abfällt. Und eben diesen Felsvorsprung will Honnold besteigen, ohne jegliche Hilfsmittel und Sicherungsvorrichtung wohlgemerkt. Das hat vor ihm noch niemand geschafft.

Klettern ohne Ausrüstung
Der Titel Free Solo bezieht sich dabei auf eben diese spezielle Klettervariante, die auf Seile, Haken und sonstige Ausrüstung verzichtet. Lediglich Puder für die Hände, das ein Schwitzen verhindert, kommt beim Freiklettern zum Einsatz. Denn die Hände sind nun einmal das wichtigste Werkzeug bei diesem etwas anderen Sport, wenn alle anderen versagt sind. Der Dokumentarfilm verwendet dann auch viel Zeit darauf, Honnolds Solo-Ausflüge zu zeigen. Was genau bedeutet das, nur die Kraft des Körpers zu verwenden, um Wände hochzukommen, die 1. senkrecht und 2. ohne erkennbare Möglichkeit sind, sich festzuhalten?

Das ist beeindruckend, mindestens. Manchmal auch etwas surreal. Wäre Free Solo ein Spielfilm, würde man ihn als unglaubwürdig abstrafen, wenn Honnold Oberflächen hochkraxelt, als wären Menschen mit Saugnäpfen an den Händen ausgestattet. Was in dem Moment so leicht und natürlich aussieht, ist aber das Ergebnis harter Arbeit. Immer wieder sieht man den US-Amerikaner, wie er sich Notizen macht, um minimalste Änderungen auf dem Kletterpfad festzuhalten, immer auf der Suche nach dem für ihn richtigen Weg. Und natürlich ist Fitness eine wichtige Voraussetzung, um diesen Sport machen zu können. Wer nur seinen Körper als Werkzeug hat, der muss es pflegen, der muss es in Schuss halten, der muss es wiederherrichten, wenn es mal wieder kaputt gegangen ist. Was im Film mehrfach passiert.

Sportdoku und persönliches Porträt in einem
Free Solo, das auf dem Telluride Film Festival 2018 Premiere feierte, ist aber mehr als nur eine Demonstration einer unmenschlich anmutenden Körperbeherrschung. Der Dokumentarfilm ist gleichermaßen auch ein Porträt, das natürlich die Frage stellt, die jedem Zuschauer durch den Kopf schwirrt: Warum zum Teufel sollte man so etwas machen wollen? Eine ganz schlüssige Antwort findet sich nicht, dafür aber viele Annäherungen. Dafür beleuchten die Regisseure Elizabeth Chai Vasarhelyi und Jimmy Chin sowohl Honnold selbst wie auch sein Umfeld. Sie nähern sich dem Thema medizinisch, biografisch, psychologisch. Vor allem Honnolds Beziehung zu seiner Freundin Sanni McCandless wird ein größerer Teil eingeräumt.

Das ist manchmal ein klein wenig voyeuristisch, ein wenig unangenehm sogar. Denn wenn Honnold da in den Bergen ist, dann ist immer ein Schatten an seiner Seite. Viele Vorbilder und Kollegen sind im Laufe der Zeit gestorben, wenn das lebensgefährliche Hobby doch noch ein Opfer fordert. So ansteckend der Enthusiasmus des Klettermaxes ist, wenn er allein in den Felsen seine Freiheit findet, so offen geht Free Solo auch mit dem Thema Tod um. Die Geschichte von Honnold ist immer ein Zusammenspiel von Verantwortung anderen gegenüber und einer Selbstverwirklichung. Wie lässt sich daraus ein Kompromiss schließen? Ist das überhaupt möglich und sinnvoll? Die unglaublichen Leistungen des Extremsportlers, sie sind auch das Ergebnis von einer Distanz, die er aufbauen kann. Nur wer allein ist, ist auch zum Free Solo bestimmt. Dass Honnold dabei gleichzeitig von einem derart anziehenden Charisma und auf Anhieb so sympathisch ist, dass man fast selbst mit ihm in die Berge will, das ist dann nur einer der vielen Widersprüche, die der sehenswerte Film mit sich bringt. Selbst wer nichts für den Sport übrighat und ihn für fahrlässig hält, wird sich nur der schwer dieser Faszination entziehen können.



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Ja, ist der denn verrückt? „Free Solo“ zeigt, wie Freikletterer Alex Honnold als erster eine nahezu senkrechte Felswand ohne Hilfsmittel bezwingen will. Das ist beeindruckend und schwindelerregend zugleich. Der Dokumentarfilm ist aber nicht nur Demonstration eines unglaublichen körperlichen Könnens, sondern gleichzeitig auch das spannende Porträt eines charismatischen Mannes, dem man gleichzeitig zusehen und nicht zusehen will.