Es soll der ganz große Wurf werden, davon ist Theaterregisseur Martin (Cornelius Schwalm) überzeugt. Die Leute mitreißen, sie bewegen, ihnen weh tun. Schließlich ist es ja nicht irgendein Stück, das er da inszeniert, sondern eines über den Holocaust. Um sich und sein Team auf die Aufführung vorzubereiten, reisen sie gemeinsam nach Auschwitz. Dort wollen sie Inspiration finden und sich richtig auf den Stoff einzulassen lernen. Stattdessen liegen sich aber bald alle in den Haaren, wenn sie über die kleinsten Punkte streiten. Als ihnen dann auch noch die polnisch-jüdische Goska (Katharina Bellena) über den Weg läuft, die selbst aufgrund des Holocausts einen Großteil ihrer Familie verloren hat, ist das Chaos komplett.
Eine der beliebtesten Fragen, die man einem Komiker stellen kann: Gibt es Grenzen beim Humor? Darf man über alles Witze machen? Während die meisten Letzeres erst einmal bejahen würden, gibt es doch Themen, die es einem zumindest verdammt schwer machen. Eines davon: der Holocaust. Natürlich, Hitler und seine Männer waren oft Ziel des Spotts, von Charlie Chaplin über Mel Brooks bis zu Er ist wieder da. Doch deren Taten, die systematische Ausrottung aller Menschen, die nicht in ihr Raster passten, das ist schon schwieriger.
Aus Liebe zur Kunst
Cornelius Schwalm, der nach zahlreichen Schauspielengagements nun hier sein Regiedebüt abliefert, macht sich in Hotel Auschwitz aber kaum über den Holocaust an sich lustig. Vielmehr nimmt der die Menschen auseinander, die jeder für sich nach einer angemessenen Antwort suchen, wie eigentlich mit dem Holocaust umzugehen ist. Die Absichten sind gut, so erscheint es zumindest anfangs, wenn Martin und sein Team sich des Stücks Die Ermittlung von Peter Weiss annehmen. Der hatte 1965 den ersten Frankfurter Auschwitzprozess im Rahmen eines dokumentarischen Theaters behandeln wollen. Sich an den Ort des Grauens zu begeben, als mentale Vorbereitung, da spricht erst einmal nichts dagegen.
Hotel Auschwitz zeigt aber: Das ist gar nicht so einfach. Die Männer und Frauen sind dann doch eher mit anderen Themen beschäftigt, etwa der nächtlichen Frischluft im gemeinsamen Zimmer, dem Zeugen von Nachwuchs und dem unangebrachten Verzehr von Fleischwaren. Von dem Holocaust an sich bewegt sich der Film immer weiter weg, von dem geplanten Stück sowieso. Stattdessen ist der Beitrag vom Achtung Berlin Filmfest 2018 in erster Linie das Porträt einer Künstlertruppe, ein wenig so wie in Casting, das anhand eines Besetzungsstreites Eitelkeiten und Schrullen des Kulturbetriebs aufdeckte.
Der Unterschied: Wo der Kollege tatsächlich witzig war, von echtem Biss, da wird Hotel Auschwitz nie wirklich komisch. Die kontinuierlichen Streitigkeiten und der schrille Ton sind eher anstrengend als unterhaltsam, langweilen anstatt zu unterhalten. Erschwert wird die Situation durch das Fehlen einer klaren Geschichte. Sobald das Team erst einmal in Polen gelandet ist, wird die Arbeit an dem Stück durch zahlreiche Anekdoten und Einzelmomente unterbrochen. Die Aufführung ist zwar immer noch Ziel, der Film selbst hat aber keines.
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