So richtig überraschend war das Kinojahr 2018 ja nicht, zumindest wer sich die oberen Plätze der internationalen Charts ansah. Gleich fünf Comic-Verfilmungen tummeln sich da, angeführt vom 2-Milliarden-Gipfeltreffen Avengers: Infinity War, zusätzlich diverse Fortsetzungen (Die Unglaublichen 2, Mission: Impossible – Fallout). Ein paar Überraschungen hielt das Jahr aber dennoch bereit. So räumten ein paar Musikfilme mächtig ab, allen voran das Queen-Biopic Bohemian Rhapsody. China knackte praktisch im Alleingang beinahe die Top 10 mit diversen Heimproduktionen. Dafür war Solo: A Star Wars Story ein enormes Verlustgeschäft.
Aber Einspielergebnisse und Qualität haben bekanntlich höchstens zufällig mal etwas miteinander zu tun. Wer auch über die begrenzte Blockbusterwelt hinaus schauen wollte, der konnte jede Menge interessanter Sachen entdecken. Ob nun im Kino, im Handel, auf Festivals oder auch den immer forscher auftretenden Video-on-Demand-Plattformen, noch nie war es so einfach, sich mit Filmen einzudecken. Es ist schon fast zu einfach, bei diesem Überangebot noch den Überblick zu behalten, das ist eine echte Herkulesaufgabe. Wie schon die vergangenen Jahre blicken wir deshalb auch dieses Mal zurück, um euch zu sagen, was uns 2018 erfreut, was geärgert hat, und was wir 2019 gerne schon heute gesehen hätten.
Top 10 Filme
1. Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen
Gleich zweimal lockte es mich als Harry Potter Fan ins Kino, um keines der unzähligen Details übersehen zu haben. Der zweite Teil der Reihe macht alle Schwächen des Vorgängers wett und zieht einen tiefer in seinen magischen Bann. Der „phantastische“ Soundtrack läuft seitdem in der Dauerschleife.
2. Green Book
Ein Roadtrip der besonderen Art, der eine neue Freundschaft schafft, die ein Leben lang anhalten sollte. Der eine, ein Trickser und Schläger; der andere, ein Piano-Genie und Poet. Viggo Mortensen und Mahershala Ali in Höchstform durch den Süden Amerikas.
Kein stiefmütterlicher Versuch, auf der Welle des Avenger Hypes das schnelle Geld zu machen. Vielmehr die Überraschung des Jahres. Individuell, kreativ, humorvoll und vor allem verdammt gut! Eine Comicverfilmung, die selbst Marvels Goldbuben alt aussehen lässt.
Nur wir drei gemeinsam verzückte bereits 2016. Jetzt kehrt Kheiron mit einem neuen Drehbuch in den Regisseurstuhl und vor die Kamera zurück. Urkomisch, berührend und mit einer liebevollen Botschaft der Nächstenliebe.
Natürlich darf Marvels Megamassaker nicht fehlen. Alle Charaktere hauen kräftig auf den Putz, aber am Ende sitzt Thanos bekanntlich am längeren … Handschuh. Es ballert, es kracht, es fließen Tränen. Aber noch ist nicht aller Tage Abend und 2019 geht der Epos um den lila Glatzkopf mit seinem schnieken Handschuh in die finale Runde.
Trotz einiger Hollywoodkompromisse, was die schlussendliche Umsetzung der Romanvorlage betrifft, ist Steven Spielbergs Sci-Fi Werk einer virtuellen Utopie das „Wo ist Waldo?“ für Nerds. Versteckte Details und bekannte Charaktere aus Funk, Fernsehen und Spielkonsole. Ein Schlaraffenland der Nostalgie.
7. The Guilty
Schon mal 90 Minuten lang einem Polizisten in der Notrufzentrale bei der Arbeit zugeguckt? Absolut unorthodox und doch so unglaublich faszinierend. Ein telefonischer Krimi, der alle Norm bricht. Überraschend in der Sneak Peak gekommen, nicht eine Sekunde bereut.
8. 25 km/h
Mit dem Mofa an die Nordsee, um reinzupissen. Es folgt eine Aneinanderreihung wilder Ereignisse, bei denen zwei Brüder ihre Bucketlist aus Kindertagen abarbeiten. Einfach machen, nicht nachdenken und losfahren. Etwas zu lang, dafür umso herzlicher.
9. Aquaman
Jason Momoa als Testosteron geschwängerte Ariel, in seiner Rolle als Fischdolmetscher. Er war der Lichtblick am verkorksten Justic League Himmel und darf nun als Soloakt die DC-Bühne betreten. Dreizacke, jede Menge wütende Fischmenschen und eine Schar an Meeresungeheuern, die das bildliche Wohl Atlantis versüßen.
10. Deadpool 2
Mehr Budget, mehr Sprüche, mehr alles. Mehr Ryan Reynolds als man seiner Freundin eingestehen möchte, aber es fühlt sich so richtig an. Die unverwüstliche Schrumpelkartoffel im rot-schwarzen Strampler hat Verstärkung mitgebracht. Hier kriegt jeder sein Fett weg oder zumindest eine Kugel ab.
Top 5 Serien
1. Making a Murderer: Part 2
Der mysteriöse Fall um Steven Avery und Brendan Dassey geht in die zweite Runde. Neue Beweise, die für die Unschuld der beiden sprechen. Bislang ungesehenes Bild- und Beweismaterial, welches die Scheinwerfer auf womöglich korrupte Machenschaften der zuständigen Behörden wirft.
2. Dogs of Berlin
Ein toter Fußballstar, ein schwuler und ein korrupter Bulle und ein Berlin, welches im Chaos zu versinken droht. Zwischen Nazis, der Wettmafia und einem machthungrigem Familienclan. Deutscher Tatort trifft auf Berliner Bordsteinkante. Hier ist sich jeder selbst der Nächste.
3. The Newsroom
Zugegebenermaßen bin ich erst in diesem Jahr auf die Serie gestoßen und habe sogleich zum Kopfsprung in Jeff Daniels warmen Schoß angesetzt. Wer bei politischen Dialogen mit lyrischer Note weiche Knie und bei zwischenmenschlichem Drama am Arbeitsplatz einen wässrigen Mund bekommt, dem seien hiermit 3 Staffeln zur Linderung der Symptome verschrieben.
4. You – Du wirst mich lieben – Staffel 1
Wer kennt es nicht: Man sieht eine Frau, verfolgt sie ein paar Tage, verschafft sich anschließend unerlaubt Zugriff zu ihrer Wohnung, nur um sie später nach einem Date zu fragen, bei dem man den perfekten Partner mimt. Das uneheliche Kind von Gossip Girl und Hannibal einer leidenschaftlichen Sommernacht.
5. 4 Blocks
Nach Dogs of Berlin wollte ich mehr vom gleichen Stoff. Den gab es bei Amazon Prime mit meinem heimlichen Herzbuben Frederick Lau in einer der Hauptrollen. Kalt, kalkuliert und immer mitten in die Fresse. Szeneasttisch fesselnd und tonal eine Wucht.
Top Newcomer
Lady Gaga
Hier und da gab es die Dame zwar in kleineren Rollen bereits zu sehen, aber erst an der Seite von Bradley Cooper in A Star Is Born tritt sie selbst wortwörtlich ins Scheinwerferlicht und haut alle um – gesanglich sowie schauspielerisch. Gekonnt authentisch und mit einer enormen emotionalen Bandbreite.
Top Schauspieler
Mahershala Ali
Spätestens seit Moonlight ist er endgültig aus dem Schatten von Frank Underwood (House of Cards) getreten. In Green Book faszinierte er dieses Jahr als talentierter Pianospieler an der Seite von Viggo Mortensen, während er in Spider-Man: A New Universe Miles Onkel Aaron Leben einhaucht.
Top Schauspielerin
Zoë Kravitz
Ob als Newt Scamanders Jugendliebe In Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen oder als Mary Janes Synchronstimme im kürzlich erschienenen Spider-Man: A New Universe, ihr exotisches Temperament scheint in Hollywood eine willkommene Abwechslung zu sein.
Top 3 Höhepunkte
1. Alte Liebe, neu entfacht
Kino direkt vor der Tür sei Dank, ging es dieses Jahr regelmäßiger in die abendlichen Vorstellungen. Gerade die montaglichen Sneak Peeks haben einige Perlen an den Strand gespült, die ansonsten nicht unbedingt auf meiner „Must go“ Liste gestanden hätten. Manchmal ist die Unwissenheit doch das beste Heilmittel gegen das voreingenommene Verbrauchertum.
2. Mehr Originale braucht das Land
Netflix & Co. preschen seit längerem mit Brot und Peitsche in die medialen Fronten. Anstatt Filme nur zu lizenzieren, werden mehr und mehr Originale produziert, für die sich inzwischen selbst die Topriegen Hollywoods begeistern lassen. Bitte mehr, bitte gleich, bitte für immer!
3. Oh du schönes Deutschland
Jahrelang habe ich es gemieden, meine Frustration auf filmische Eintagsfliegen von Til Schweiger und Matthias Schweighöfer stereotypisiert und dann so was. Ob Serie oder Film, ob plötzlicher Qualitätsschub seitens der deutschen Filmlandschaft oder jahrelange Ignoranz meinerseits (wahrscheinlicher eher Letzteres), es macht wieder Spaß, deutsche Originale zu gucken.
Top 3 Enttäuschungen
1. Kevin Spacey
Seit jeher ist Kevin Spacey für mich ein Garant der soliden Unterhaltung. Egal ob auf oder abseits der Leinwand. Der diesjährige Missbrauchsskandal, die damit verbundenen Anschuldigungen, die Anklage, seine Mediaabstinenz und das zuletzt veröffentlichte „Let me be Frank“ Video auf Youtube, werfen das einst nostalgische Erinnerungsmosaik in ein trübes Licht.
2. Halloween
Als der Trailer zum neuen Michael Meyers Streifen veröffentlicht wurde, kribbelte es mir in den Fingern. Weg vom kleinen Städtchen mit Zweimann Polizeistation, Michael lauert auch am Tag – Was kann ihn noch aufhalten? Am Ende gab es billigen Slasherkompott mit überholtem Schnittmaterial. So manch Nostalgiker mag den aufgewärmten Möchtegern im Overall und Küchenmesser der diesjährigen Version wohl sympathisch finden, für mich war es eine weitere verpasste Chance, dem Mann mit Maske einen filmischen Neuanstrich zu geben.
3. Kinobesucher
Wenn Spielereien mit dem Handy vom Sitznachbarn und Minimüllhalden nach Filmende zur Norm werden, kann irgendwas nicht stimmen. Will ja nicht wissen, wie es bei manchen zu Hause aussieht, aber manche scheinen beim Popcorn essen den Kopf in den Eimer zu hauen. Anders kann man sich das nicht erklären. Eine echte Schande!
Top 3 meist erwarteten Filme/Serien 2019
1. Avengers: Endgame (Achtung Spoiler)
Wer den Film nicht in seine abendlichen Gebete miteinbezieht, ist selber schuld. Wie geht es mit den Überlebenden weiter, gibt es die große Auferstehung und warum klingelt da eigentlich Ant-Man an der Tür? Fragen, für die es in Comicform natürlich Antworten gibt, ob und wie es allerdings im großen Finale auf der Leinwand umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
2. Game of Thrones: Staffel 8 (Achtung Spoiler)
Noch ein heiß bzw. kalt erwartetes Finale. Die Mauer ist gefallen, Jon und Daenerys spielen Ringelpietz und was Cersei wieder im Schilde fügt, gibt es nach leichter Verspätung ebenfalls im April zu bestaunen. Taschentücher sowie Schwert und Schild bereithalten, denn es verspricht ein blutiges Finale zu werden … kennt man so ja gar nicht.
3. Joker
Auf Heath Ledgers transzendente Darbietung des geschminkten Grinseknaben in The Dark Knight folgte eine überzeichnete Version von Jared Leto in Suicide Squad. Erste Bilder lassen auf eine tragische Porträtierung des Charakters hoffen, für die Joaquin Phoenix einige interessante Ansätze bieten könnte. Vorschusslorbeeren gibt es jedoch seit langem nicht mehr, vor allem da Regisseur Todd Phillips bis dato mit mehr Comedy-Klamauk für müdes Nasenrümpfen sorgte.