So richtig verarbeitet hat die ehemalige Polizistin Megan Reed (Shay Mitchell) den Vorfall noch nicht, der sie vor einigen Monaten aus der Bahn geworfen hat. Klar ist nur: Sie muss etwas tun. Irgendwas. Da kommt ihr das Angebot, die Nachtschicht in einer Leichenhalle zu übernehmen, gerade recht. Erfahrungen hat sie zwar keine, braucht sie aber auch nicht. Für ihr größtes Problem hätte sie ohnehin niemand vorbereiten können. Denn als die Leiche von Hannah Grace (Kirby Johnson) eingeliefert wird, ist das der Auftakt für eine ganze Reihe unerklärlicher Ereignisse. Und der Auftakt einer Nacht, die noch sehr viel mehr Leichen mit sich bringen wird.
Eine Leichenhalle ist ja schon einmal per se irgendwo unheimlich, umso mehr wenn man sich nachts darin aufhält. Allein. Oder eben doch nicht ganz allein. Wie unheimlich, das haben immer mal wieder Filme vorgemacht, von Nightwatch – Nachtwache bis zu The Autopsy of Jane Doe. Das ist eigentlich eine ziemlich gute Gesellschaft, die sich The Possession of Hannah Grace da ausgesucht hat. Da zudem das Filmjahr 2019 bislang noch nicht mit empfehlenswertem Leinwandhorror gesegnet war, durfte man sich als Genrefan doch ein bisschen was hiervon versprechen.
Kenn ich, kenn ich, kenn ich
Doch so wenig die Leiche von Hannah tot ist, zumindest nicht wirklich, so wenig erfüllt auch der Film die Erwartungen, die man an ein solches Werk hegt. Nicht weil das hier so wahnsinnig überraschend wäre. Vielmehr klappert The Possession of Hannah Grace so viele Klischees und altbekannte Szenen ab, dass die größte Angst im Kinosaal diese ist: Dauert das hier noch lange? Denn wenn uns eines die ungemütliche Nacht im Keller des Krankenhauses lehrt, dann dass nicht nur Dämonen tödlich sein können. Langeweile kann das auch. Sie braucht nur länger.
Dabei ist der Schauplatz noch relativ atmosphärisch. Der niederländische Regisseur Diederik Van Rooijen, der hier nach diversen Filmen und Serien sein englischsprachiges Debüt abliefert, holt schon einiges aus dem gräulichen Kerker heraus. Licht gibt es da unten praktisch keins, nur wenn man wie wild mit den Armen fuchtelt, reagieren die Sensoren mal. Das Ambiente ist irgendwo zwischen klinisch rein und unterkühlt schmutzig angesiedelt. Das passt als Bühne für einen Horrorfilm, bereit auf das vor, was auch immer da passieren mag.
Zwischen Klischee und Dümmlichkeit
Problematisch wird es aber, wenn so rein gar nichts passiert, weswegen es sich lohnen würde, seine Nächte um die Ohren zu schlagen. Oder die der anderen. Ärgerlich ist zum einen, dass The Possession of Hannah Grace von vornherein jedes Mysterium rund um die Leiche vorwegnimmt, schließlich verraten sowohl Titel wie auch die ersten Minuten, dass die junge Dame von einem Dämon besessen ist oder war. Bis aber auch Megan und der Rest verinnerlichen, was da genau bei ihnen ins Haus geflattert ist, gibt es eine Aufzählung von Horror-Klischees. Personen, die aus dem Nichts auftauchen, flüchtige Bewegungen im Hintergrund, sich wie von Geisterhand öffnende Türe. Und auch vor dem obligatorischen kleinen Ball, der ganz allein durchs Zimmer hopst, scheut sich hier keiner. Was in Hunderten anderen Filmen gemacht wurde, kann hier auch nicht schaden.
Es ist aber nicht nur das völlige Fehlen von eigenständigen Ideen oder Überraschungen, die The Possession of Hannah Grace zu einem Ärgernis machen. Der Film wird zudem immer blöder. Offensichtlich kann sich die Leiche des jungen Fräuleins nicht entscheiden, ob sie sich ganz ungeniert durch die Leichenhalle meucheln oder doch lieber verstecken soll. Also macht sie beides. Die Spurensuche verfolgt kein klar erkennbares Ziel, was insbesondere für eine ehemalige Polizistin erbärmlich ist. Und selbst das, was gefunden wird, bleibt ohne Konsequenz, diverse Elemente werden zwischendurch einfach vergessen. Dieses Schicksal dürfte dann auch den Streifen an sich ereilen, der wirklich nur Horror-Kino-Süchtigen oder absoluten Neulingen etwas geben wird. Ansonsten kann man die Zeit sinnvoller nutzen, und sei es indem man selbst einen Nebenjob in einer Leichenhalle antritt. Denn Kompetenz braucht man dafür offensichtlich keine.
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