Leicht hat es Björn (Jesper Barkselius) nicht gerade. Das wenige Geld, das ihm zur Verfügung steht, muss irgendwie für die Familie reichen, welche ihm aber auch irgendwie nichts dankt, was Björn wiederum in Rage versetzt. So steht er bald auch alleine und verlassen da. Aus seinem Sohn Alex (Christoffer Nordenrot) wird ein relativ bekannter Musiker, Kontakt haben die beiden keinen mehr miteinander. Als eines Tages zwei Verkehrsknotenpunkte in Stockholm durch Terroranschläge lahmgelegt werden, ist das erst der Anfang einer Reihe von unerwarteten Ereignissen, in deren Verlauf eine Wiedervereinigung von Vater und Sohn unumgänglich wird.
Wenn ein Film „mit den Sehgewohnheiten seiner Zuschauer [spielt]“ und mit Sätzen wie „In diesem Film ist nichts so, wie es scheint, und er lässt sich deshalb auch nicht in Kategorien pressen.“ beworben wird, ist Vorsicht geboten. Oft genug sind solche Aussagen deutliche Warnzeichen dafür, dass hier Schadensbegrenzung betrieben wird, um irgendwie zu übertünchen, dass man es mit einem inkohärent zusammengewürfelten Haufen Unsinn zu tun hat, der sich im schlimmsten Fall auch noch als Kunst verkaufen will. Glücklicherweise stellt The Unthinkable eine rar gesäte Ausnahme hierzu dar, obwohl oder vielmehr gerade weil diese Aussagen überhaupt nicht zutreffen. Weder spielt er mit Sehgewohnheiten noch wäre irgendetwas darin anders als es scheint, und dass ein Film sich mehreren Genres gleichzeitig zuordnen lässt, macht ihn nicht über Kategorien erhaben. Nachdem das Drumherum nun also abgearbeitet wäre (auf das man sowieso nie etwas geben sollte), können wir uns der inhaltlichen Auseinandersetzung widmen.
Und was sollte das jetzt?
Streifen wie The Unthinkable oder Cam haben ein fundamentales Problem, welches sich ironischerweise aus ihrer Stärke ableitet. Wenn ein Film erfolgreich ein mysteriöses Szenario aufbaut, bei welchem der Zuschauer kaum anders kann, als Fragen wie „Was steckt dahinter?“, „Wie kann das sein?“ oder „Was passiert hier?“ zu stellen – wohlgemerkt aus Neugier und Interesse, nicht etwa weil nur Nonsense auf dem Bildschirm stattfindet –, dann ist das zunächst etwas sehr Positives. Die Krux besteht darin: Je größer das Mysterium, desto wahrscheinlicher, dass die Auflösung schlicht nicht mithalten kann. Drei Möglichkeiten gibt es:
1. Man liefert einen Schluss, der alles zufriedenstellend aufklärt. Für diesen Fall gibt es so gut wie überhaupt keine Beispiele.
2. Man merkt, dass man sich mit dem Mysterium in eine Ecke manövriert hat, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Die Auflösung ist dementsprechend absurd. Siehe Cam.
3. Man merkt, dass man sich mit dem Mysterium in eine Ecke manövriert hat, sieht aber einen kleinen Pfad, auf dem man sich davonschleichen kann. Dem Zuschauer werden schnell ein paar Knochen hingeworfen, die er selbst zusammensetzen soll. Währenddessen lässt man den Film schnell enden und hofft, dass niemand mitbekommen hat, was geschehen ist.
The Unthinkable lässt sich in die letzte Kategorie einordnen (oder eher pressen). Der Film gibt dem Zuschauer durchaus genügend an die Hand, damit man das Ende noch als passabel durchwinken kann, auch wenn das alles in den letzten Sekunden und bereits vermischt mit dem Abspann stattfindet.
Nimmt man The Unthinkable genauer unter die Lupe, fallen hier und da durchaus weitere Lücken auf. Als es beispielsweise vor dem Tor eines Kraftwerk zu einem Zwischenfall kommt, verstrickt sich der Film in mehrere Widersprüche, Figuren verhalten sich unglaubwürdig. Und das auch völlig unnötig: Der schwedische Thriller, der auf dem Fantastic Fest 2018 Weltpremiere feierte, ist hier zu eindeutig konstruiert, baut eine Szene ein, die für den späteren Verlauf gar nicht gebraucht wird. Solche Marginalitäten ziehen das Gesamtbild als solches zwar nicht nennenswert herunter, der Film hätte aber dennoch davon profitiert, wären sie im Vorfeld ausgebügelt worden.
Gut, wenn auch nicht ganz gut genug
Wenn das alles bisher eher negativ klingt, so liegt das nicht daran, dass The Unthinkable schlecht wäre – er hätte nur einfach besser sein können. Der Film lässt sich zu Beginn Zeit, ohne einem schlechten Pacing anheim zu fallen. Etwa zwanzig Minuten lang deutet alles daraufhin, dass es sich um ein Familiendrama handelt, ein ziemlich gutes zumal. Der Terroranschlag ist dann aber kein kompletter Bruch, der alles auf den Kopf stellt, wie man es zunächst befürchten könnte. Stattdessen wird der akribische Aufbau am Anfang als Basis für den ganzen Film benutzt und immer wieder gekonnt aufgegriffen. Die Action ist wohl dosiert und ansehnlich in Szene gesetzt. Von gut choreographierten Feuergefechten über sich in Zeitlupe überschlagende Autos bis hin zu verheerenden Hubschrauberabstürzen ist alles vorhanden. Mit überproduzierten Hollywoodblockbustern kann das vielleicht nicht ganz mithalten, aber viel fehlt da auch nicht mehr, was angesichts des geringen Budgets des Films umso beeindruckender ist.
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