Zuletzt ist das Thema der Flüchtlingsproblematik ja wieder etwas ins Hintertreffen geraten. Die Zahlen der Menschen, die zu uns wollen, nimmt ab, es stehen aktuell keine Wahlen an, bei denen man damit wirklich groß punkten könnte. Und auch im Kino hat die Flut an Beiträgen abgenommen. Wenn jetzt mit Yves’ Versprechen doch mal wieder einer Besucher in die Lichtspielhäuser locken möchte, dann ist da erst einmal Skepsis angesagt. Warum jetzt noch? Gibt es überhaupt noch etwas Relevantes zu, das nicht in einem der zahllosen vorangegangen Dokumentarfilme bereits aufgegriffen wurde?
Zumindest anfangs sieht es auch so aus, als würde Yves’ Versprechen letztendlich nur ein zweites Als Paul über das Meer kam sein. Beide Filme erzählen die Geschichte von einem Mann aus Kamerun, der über das Meer nach Europa flüchtete, in der Hoffnung, dort ein neues Leben beginnen zu können. Beide zeigen, wie schwierig das letztendlich ist, auch Jahre später wurde aus dem erhofften Paradies keine Heimat. Und: In beiden Werken vermischen sich die Grenzen zwischen Beobachter und Akteur. Denn so wie Jakob Preuss damals, so ist auch Melanie Gärtner hier zu nah an ihrem Protagonisten dran, hat viele Jahre mit ihm verbracht, das Verhältnis ist längst zu persönlich, um sich komplett raushalten zu können.
Aber warum bleibt der denn?
Und doch schlägt die deutsche Journalistin einen etwas anderen Weg ein als ihr Kollege. Anstatt sich wie dieser auf die Titelfigur zu konzentrieren, treibt sie eine andere Frage an: Warum geht Yves eigentlich nicht zurück? Der Traum von einem schönen Leben in Europa hat sich Jahre später schließlich immer noch nicht erfüllt. Yves hat kein Geld, keine Arbeit, keine Perspektive auch, das irgendwie zu ändern. Auch eine Aufenthaltsgenehmigung scheint ausgeschlossen, dafür ist die Not in Kamerun einfach nicht groß genug. Eine Szene gegen Ende zeigt Yves dann auch, wie er etwas verloren auf einer Bank sitzt, während um ihn herum das Leben weitergeht, ohne jegliches Interesse an ihm.
Also wechselt Gärtner den Blickwinkel. Nicht Yves selbst steht im Mittelpunkt, sondern dessen Umfeld in seiner Heimat. Familie, Freunde. Der Film reist mit uns nach Kamerun, wo wir mehr über die Hintergründe erfahren dürfen. Über das Leben dort. Über Yves. Aber auch über die Erwartungen, die man daheim an ihn hat. Denn wer es bis nach Europa geschafft hat, dessen Pflicht es auch, dort richtig gut Geld zu verdienen und das an die Familie zurückzugeben. Das erinnert ein wenig an Global Family, bei dem ebenfalls eine Familie durch eine Flucht auseinandergerissen wurde, wechselseitige Verantwortung aber nach wie vor die Verhältnisse bestimmt.
Ein Grund ohne Tiefe
Yves’ Versprechen ist damit auch ein kleiner Einblick in die afrikanische Seele bzw. in das Leben in Kamerun, einem der notorisch korruptesten Länder dieser Welt. Nach und nach bekommen wir eine Ahnung, weshalb Yves fort ist, weshalb er nicht wieder zurück kann. In Videonachrichten, die Gärtner aus Spanien mitgebracht hat, und solchen, die sie in Kamerun aufnahm, lässt sich einiges entnehmen. Vor allem auch dem, was eben nicht gesagt oder nur angedeutet wird. Der Dokumentarfilm ist keiner, der alle Fragen bis zum Ende beantwortet oder beantworten will. Dafür bleibt er zu sehr auf Distanz, vermeidet ein Nachfragen und Nachbohren. Einiges bleibt dadurch ein Rätsel, manchen wird das hier auch zu oberflächlich sein. Aber es ist doch ein interessanter Versuch, dem inzwischen so breitgetretenen Thema doch noch einen neuen Zugang zu öffnen, indem der Schwerpunkt weg von der Flucht hin zum Ursprung gelegt wird.
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