Baracoa
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Baracoa

Baracoa
„Baracoa“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Wir denken an fette Zigarren, an den Rum natürlich, an Fidel Castro und den Dauerclinch mit den USA, vielleicht auch an die historischen Gebäude, atmosphärische Überbleibsel eines gescheiterten Sozialismus. Doch Kuba hat sehr viel mehr Geschichten zu erzählen als die, die sich um Klischees und Symbole drehen. Man muss nur den Blick streifen lassen, der Fantasie Türe und Tore öffnen. So wie Antuán und Leonel es tun. Die sind beste Freunde, obwohl Antuán mit 13 Jahren gleich vier Jahre älter ist als sein Kumpel. Beide wohnen sie in Pueblo Textil, einem kleinen Kaff in Kuba. Zumindest noch, denn ein Umzug wird die beiden bald auseinanderreißen.

Thematisiert wird das in Baracoa aber nicht. Vielmehr zeigt der Dokumentarfilm, wie die zwei Jungs den Sommer zusammen verbringen. Immer wieder streifen sie durch die Gegend, können sich an gefundenen toten Tieren ebenso erfreuen wie an Ruinen, durch die sie gehen. Zwischendurch messen sie sich im Rahmen einer Kissenschlacht, zocken aber auch schon mal am Computer, wenn ihnen gerade danach ist. Allgemein scheint es in ihrem Leben niemanden zu geben, der ihnen Vorschriften macht. Erwachsene sind den ganzen Film über nicht zu sehen.

Eine Kindheit am Ende
Das verleiht dem Ganzen eine leicht unwirkliche Atmosphäre, gerade auch im Zusammenspiel mit den kaputten Gebäuden. So als hätte jemand die beiden vergessen, als hätte die Zeit die beiden vergessen. Und doch dürfte es dem Publikum nicht schwerfallen, sich in den zwei Jungs wiederzufinden. Wenn sie sich Spiele ausdenken oder auf Erkundungstour gehen, dann ist es völlig gleichgültig, dass wir uns im Kuba der Gegenwart aufhalten. Ebenso gut könnte Baracoa vor einigen Jahrzehnten gedreht worden sein, an einem beliebigen Ort der Erde. Antuán und Leonel sind so etwas wie die Verkörperung eines bestimmten Alters.

Da ist noch die Unschuld zweier Kinder, die noch nicht ganz verstehen, wie diese Welt da draußen funktioniert und was sie bereithält. Da ist aber auch schon die große Klappe, die eine solche Unkenntnis auf keinen Fall zugeben würde. Stattdessen gibt es lieber ein paar Beleidigungen, auch füreinander. Nur weil der andere der beste Freund ist, heißt das noch nicht, dass man ihn nicht als Echse bezeichnen kann. Oder auch als Schwuchtel, schließlich rasiert er sich die Beine. Und zupft er sich nicht auch die Augenbrauen?

Von diesem etwas verstörend homophoben Moment einmal abgesehen ist Baracoa aber überaus charmant. Pablo Briones, der zusammen mit dem Regieduo The Moving Picture Boys (Jace Freeman, Sean Clark) für den Film verantwortlich ist, lässt den beiden jungen Protagonisten viel Freiraum. Das ist dann nicht immer schön oder vorbildlich, aber doch auf seine Weise spannend: Der Dokumentarfilm, der auf der Berlinale 2019 Weltpremiere feierte, ist eine nostalgische Erinnerung an die Kindheit, abwechselnd auf die Vergangenheit und die Zukunft blickend, auf eine Form von Gemeinsamkeit, die kurz vor ihrem Ende steht.



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„Baracoa“ folgt zwei Jungs in einem kubanischen Kaff, wo sie ihren letzten Sommer verbringen. Das ist irgendwo nostalgisch, eine Erinnerung an die fantasievolle Kraft der Jugend inmitten von Ruinen. Gleichzeitig hat es etwas Unwirkliches, wie die zwei durch die Gegend streifen, als wären sie die letzten Menschen auf dieser Erde.