Schon seit ihrer Kindheit sind Tish (KiKi Layne) und Fonny (Stephan James) unzertrennlich. Jetzt sind sie junge Erwachsene, wollen sich gegenseitig ewige Liebe schwören. Sogar ein gemeinsames Kind ist bereits auf dem Weg! Doch das Glück ist nicht von langer Dauer, denn Fonny wird vorgeworfen, eine Frau vergewaltigt zu haben. Für seine Familie ist klar, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. Aber so sehr sie sich auch für ihn einsetzt, Tishs Mutter Sharon (Regina King) reist sogar ins Ausland, um der Sache ein Ende zu setzen: Niemand will ihnen zuhören, niemand interessiert sich für die Beweislage.
Kein Film dürfte in den letzten Jahren wohl vergleichbar überraschend zum Hit geworden sein wie Moonlight. Ein Film über einen jungen schwulen Schwarzen, der mit Drogen handelt – das war in dem Trump-Amerika eine an und für sich tödliche Kombination. Doch das über mehrere Zeitebenen erzählte Drama setzte sich in einem denkwürdigen Finale nicht nur bei den Oscars durch, wo es als bester Film des Jahres ausgezeichnet wurde. Auch an den Kinokassen wurde es weltweit ein voller Erfolg, allein in Deutschland strömten knapp 500.000 Zuschauer in die Lichtspielhäuser.
Der Fluch der hohen Erwartungen
Entsprechend hoch waren im Anschluss aber auch die Erwartungen an Regisseur Barry Jenkins. Denn wer ein solches Ausnahmewerk abliefert, der soll das gefälligst auch beim nächsten Mal machen. Trotz der durch Moonlight deutlich gestiegenen Aufmerksamkeit, ein vergleichbares Phänomen wird Beale Street sicher nicht werden. Nicht in Europa, wo Aktivist James Baldwin (I Am Not Your Negro), der den zugrundeliegenden Roman schrieb, kein vergleichbar großer Name ist. Aber auch in den USA waren die Einspielergebnisse eher am unteren Ende der Erwartungen, eine Hilfe durch die Award Season trat nicht ein: Bei den kommenden Oscars wird das Drama keine nennenswerte Rolle spielen.
Das ist einerseits verständlich. Moonlight war der perfekte Film zur perfekten Zeit, erzählte eine Geschichte, die einerseits so einzigartig war, dass man sie nicht vergessen konnte, die gleichzeitig aber auch universell genug war, sich in ihr wiederfinden zu können. Man musste nicht schwarz oder schwul sein, um bei der Selbstsuche mitfühlen zu können. Auch die Drogen waren letztendlich nur ein Nebenschauplatz. Eine vergleichbar universelle Note fehlt Beale Street. Es fehlt auch die Möglichkeit, ähnlich starke Emotionen zu entwickeln. Denn auch wenn im Mittelpunkt des Dramas eine Beziehung steht, so bleibt das hier doch zu sehr auf Distanz, als dass sie einem wirklich zu Herzen gehen würde. Den Hang zur Künstlichkeit, den Jenkins schon beim letzten Mal zeigte, er wird hier zu einem Hindernis.
Ein Bild sagt mehr …
Und doch ist Beale Street, das auf dem Toronto International Film Festival 2019 Weltpremiere feierte, ein unbedingt sehenswerter Film geworden. Die Art und Weise, wie Jenkins und sein Kameramann James Laxton Geschichten nur mithilfe von Bildern erzählen, die ist eine Kunst für sich. Das Zusammenspiel aus Farben und Perspektiven, gebunden an eine makellose Ausstattung und einen erneut herausragenden Cast. Die Übergänge der nicht-chronologisch erzählten Szenen, die sich nach und nach zusammensetzen, Hoffnung und Ernüchterung ineinander übergehen lassen.
Bitter ist die Geschichte über polizeiliche Willkür und systematischen Rassismus natürlich so oder so, funktioniert auch Jahrzehnte später immer noch – der Film spielt in den 1970ern in Harlem. Beale Street ist aber eben nicht nur eine Abrechnung mit Polizeigewalt, ein pessimistisches Ergeben vor dem Status Quo und rechtschaffene Empörung vor Ungerechtigkeit. Die Romanadaption erzählt gleichzeitig von einem Zusammenhalt zwischen Familienmitgliedern, zwischen Mann und Frau auch, sucht die Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit. Denn mag die Welt noch so kalt und gleichgültig sein, es gibt doch immer wieder Lichtblicke und Trost. Wenn man Glück hat. So wie auch Beale Street ein kleiner Glücksfall ist, der die Erwartungen an Jenkins auf einem weiterhin hohen Niveau hält.
(Anzeige)