By the Name of Tania
© Clin d’oeil Films

By the Name of Tania

By the Name of Tania
„By the Name of Tania“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Die Sektion Generation der Internationalen Filmfestspiele Berlin wird ja von manchen ganz gerne mal ein bisschen ignoriert. Ist ja schließlich die Sektion der Kinder- und Jugendfilme, das muss man nicht ganz ernstnehmen. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Nicht nur dass sich hier oft ein paar der schönsten Beiträge der jährlichen Berlinale tummeln. Die Werke sind auch nicht zwangsläufig harmlos oder banal, sondern können auch richtig zur Sache gehen und gesellschaftlich relevante Themen aufzeigen. 2019 beispielsweise sahen wir Themen wie Klimaschutz (2040), Unterdrückung von Minderheiten (A First Farewell) und Missbrauch in der Familie (House of Hummingbird).

Noch ungeheuerlicher ist, was die Belgierin Bénédicte Liénard und die Peruanerin Mary Jiménez mit in die Hauptstadt gebracht haben. Als das eingespielte Regieduo zuletzt in Peru für einen gemeinsamen Dokumentarfilm waren, erfuhren sie von den schrecklichen Schicksalen von Frauen, die in den Minengebieten zur Prostitution gezwungen wurden, oft nicht mehr als Sklavinnen waren. Vor allem Frauen aus indigenen Stämmen in den Anden wurden mit großen, goldenen Versprechen angelockt, umso härter war das spätere Erwachen.

Ein (sur)realer Abgrund
In By the Name of Tania nahmen die beiden Filmemacherinnen reale Aussagen von Opfern und fügten sie zu einer gemeinsamen Geschichte zusammen. Wobei Geschichte es nur bedingt trifft, da vieles hier kaum zu fassen ist – in mehr als nur einer Hinsicht. Sie engagierten mit Tanit Lidia Coquinche Cenepo zwar jemanden, der die Titelfigur verkörpert. Es wird jedoch kein Spielfilm daraus. Es gibt keine Handlungen. Keine Dialoge. Erzählt wird das Schicksal der jungen Frau durch Voice-overs, die sich nur teilweise mit dem decken, was wir zu sehen bekommen.

Es ist sogar der starke Kontrast zwischen Bild und Sprache, der zu der großen Wirkung dieses Doku-Drama-Hybrids beiträgt. Die Aufnahmen sind nämlich oft wunderschön, zeigen mal die unberührte Natur des südamerikanischen Landes, mal auch nächtliche Impressionen der Städte. Zu wunderschön, um wahr zu sein. Die traumhaften Momente, wenn wir durch das Land streifen, gehen in Alpträume über, wenn Tania schildert, was ihr alles widerfährt. Wie sie Stück um Stück Würde und Menschlichkeit verliert, nicht mehr als ein Gebrauchsobjekt ist, das kein Mitspracherecht hat. Oder überhaupt eine Sprache.

Dass By the Name of Tania diese Erfahrungen nicht entsprechend bebildert, macht den Dokumentarfilm auf den ersten Blick natürlich leichter konsumierbar. Anderenfalls wäre er auch wohl kaum in die Generation-Sektion eingeladen worden. Verstörend ist es dennoch für die, die sich auf diese Reise begeben, für deren Unwirklichkeit wird vielleicht sogar dankbar sind. Dass die Idylle der Landschaft diesem Kopf-Kino-Horror gegenübergestellt wird, ist aber nicht bloße Flucht vor den Abgründen. Vielmehr wird die in den Minen betriebene Barbarei so in einen größeren Kontext gestellt, wenn menschliche Monster bei Nacht über die Erde herfallen, sie berauben und zerstören, in einer nie zu stillenden Gier.



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„By the Name of Tania“ fügt reale Schauergeschichten von Zwangsprostitution in peruanischen Minengebieten zu einem Schicksal einer fiktiven Einzelperson zusammen, die für all die Opfer steht. Das wandelt zwischen Dokumentation und Traum, verstört trotz der unwirklichen Anmutung, wenn man dieser Reise in den Abgrund folgt.