Erste Eindrücke können trügen. Vor allem wenn sie mit jeder Menge erster Eindrücke konkurrieren müssen. So zumindest der Eindruck, wenn man sich Dating Around anschaut. Das Prinzip der neuen Netflix-Reality-TV-Serie entspricht dabei mehr oder weniger dem der unzähligen anderen Dating-Shows, die sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Ein Mann oder eine Frau trifft mehrere vielversprechende Dates, die im Rahmen eines gemeinsamen Abends auf Herz und Nieren geprüft werden. Genauer sind es fünf Kandidatinnen bzw. Kandidaten, welche überzeugen müssen. Wer das am besten schafft, bekommt am Ende das zweite Date.
Das Besondere an Dating Around: das hohe Tempo. Jede der sechs Folgen der ersten Staffel beträgt zwischen 25 und 30 Minuten. Das mag für Serien, etwa Sitcoms, funktionieren, die eine fortlaufende Geschichte erzählen und so über mehrere Episoden hinweg erlauben, die Figuren kennenzulernen. Sechs Menschen in ein solches Korsett zu quetschen, das ist aber schon sehr knapp bemessen. Die Folge ist dann auch, dass manch einer hier sehr blass bleibt, einzelne Personen verschwimmen, man hin und wieder auch ganz vergisst, dass das ja fünf Dates auf einmal waren. Aber das ist nicht so schlimm, die Serie tut das ja auch.
Wer redet hier mit wem?
Teilweise bemüht sie sich auch sehr darum, die Grenzen zu verwischen. Sämtliche Dates einer Folge finden in denselben Lokalitäten statt, sogar an denselben Tischen. Das erlaubt es dem Team, die einzelnen Gespräche so zusammenzuschneiden, als wären sie eins. Das ist teilweise sehr kunstvoll, gerade bei den überlappenden Themen merkt man gar nicht mehr, wo das eine Date beginnt und das andere aufhört. Der Nachteil: Es führt zu einer gewissen Beliebigkeit und nährt zudem die Zweifel, wie viel von Dating Around überhaupt echt ist, was vorgeschrieben.
Dafür sind andere Passagen umso ruppiger. Und nicht immer ganz nachvollziehbar. Dass Gespräche mit anderen sich nicht immer so entwickeln wie erwartet, das gehört dazu. Besonders wenn es sich um Gespräche mit Wildfremden handelt, bei Dating Around gibt es ausschließlich Blind Dates. Manchmal eskalieren diese Gespräche hier jedoch plötzlich und auf eine Weise, die sich nicht erschließt. Das mag auch mit dem weggeschnittenen Material zusammenhängen. Irritierend ist es trotzdem, ebenso wenn wir bei der Auflösung erfahren, für wen er oder sie sich entscheiden hat. Bei manchen war zuvor die Chemie spürbar, bei anderen kommt auch das aus dem heiteren Himmel.
Zwischen Langeweile, Charme und Ärgernis
Wer die ganz großen Gefühle erhofft, der wird bei den Mini-Happen so oder so nicht glücklich, dafür reicht der Raum einfach nicht aus. Den einen oder anderen Höhepunkt gibt es aber schon, man muss nur manchmal etwas länger darauf warten. Gerade die erste Folge rund um den Schönling Luke ist ausgesprochen langweilig, was auch damit zusammenhängt, dass unser Date-Entscheider über keine allzu ausgeprägte Persönlichkeit verfügt. Und auch andere Figuren, die später auftauchen, sind so nichtssagend, dass man sich genauso gut auch Poster anschauen könnte. Das fördert wenigstens die eigene Fantasie. Vielleicht.
Im Laufe der sechs Folgen kommt dann aber doch noch genügend Abwechslung zusammen, da ist von spannend über banal bis zu süß und ärgerlich alles dabei. Manche Personen sind so verkorkst und weltfremd, dass schon die Begegnung von der Couch aus zu einer Qual wird. Überaus charmant ist hingegen die vierte Folge um den älteren Witwer Leonard, der ebenso wie seine potenziellen Herzdamen ein wenig unbeholfen sein Glück sucht. Schön ist zudem, dass gleich zwei der sechs Folgen im LGBT-Umfeld sind, auch gemischtrassige Dates wurden eingebaut. Selbst wenn die Serie – von den besagten kunstvollen Schnitten einmal abgesehen – das Format der Dating Shows nicht gerade revolutioniert, die Auswahl des Teilnehmerfeldes zumindest ist ungewöhnlich genug, damit Fans solcher Sendungen einmal hineinschauen.
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