Nach dem Tod ihrer Großmutter beschließen Rebeca (Úrsula Corberó) und ihr Freund Marc (Álvaro Cervantes), das alte Familienanwesen zu besuchen. Dort wollen sie ihre jeweiligen Familiengeschichten aufschreiben, die letztendlich dazu geführt haben, dass die beiden zusammenkamen. Und die haben es in sich, denn die Reise in die Vergangenheit bringt eine ganze Reihe von Geheimnissen mit sich, von denen der andere bislang nichts wusste. Von denen er vielleicht lieber auch nichts gewusst hätte.
Julio Medem macht keine halben Sachen, so viel wird in seinem neuesten Film schnell klar. So hat es der spanische Regisseur und Drehbuchautor nicht eilig, die Geschichte seiner beiden Protagonisten und ihrer jeweiligen Familien zu erzählen. 135 Minuten ist Der Baum des Blutes lang, das seit Kurzem auf Netflix verfügbar ist. 135 Minuten, die einerseits vollgestopft sind mit Details. 135 Minuten, die man aber auch schmerzhaft zu spüren bekommt.
Viele Ambitionen, wenig Spannung
Die Idee hinter dem spanischen Drama ist dabei noch recht interessant. Wer einmal innegehalten und sich bewusst gemacht hat, wie viele Entwicklungen und Zufälle dazu geführt haben, wie das eigene Leben aussieht, der verliert sich schnell in Erinnerungen und Querverbindungen. Und in den Familien von Rebeca und Marc gab es jede Menge Vorfälle, die über das normale Maß hinausgehen. Ein Film, der auf verschiedenen Zeitebenen spielt und nach und nach die einzelnen die vielen Einzelfäden aufdröselt, die bis zur Gegenwart reichen, das hätte durchaus spannend sein können.
Spannend ist jedoch kein Adjektiv, das einem bei der Beschreibung von Der Baum des Blutes auf Anhieb in den Sinn kommen würde. Im Gegenteil, der Film ist ausgesprochen zäh, lässt sich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen, zieht einfach sein Ding durch, ohne Rücksicht auf Verluste. Das kann man bewundern für seien Konsequenz. Oder sich auch nur wundern, dass hier niemand auf die Idee kam, dass das einfach zu viel ist. Oder auch zu wenig. Nicht dass es den Familiengeschichten an pikanten Details mangeln würde. Aber wenn diese in einer epischen Breite erzählt werden, selbst die bedeutungslosesten Vorfälle, dann tut man weder sich noch dem Publikum einen Gefallen.
Zu viel zu spät
Erst in der zweiten Hälfte legt Der Baum des Blutes langsam zu, wagt sich dann mal an die finsteren Abgründe, die das Szenario von Anfang an versprochen hat. So richtig lohnt es sich aber nicht, auf diese zu warten. Im Gegensatz zu dem quälend trägen Tempo wird es hier dann überhastet, entwickelt gar nicht die Wucht, die der Inhalt eigentlich haben sollte. Dass die Enthüllungen nicht so ganz die erwünschte Wirkung erzielen, liegt aber auch daran, dass Medem da etwas übers Ziel hinausschießt. Tragische Ereignisse schön und gut. Aber das, was hier geschieht, das erinnert mehr an Seifenopern als an ein Drama, das ernstgenommen werden möchte.
Und Der Baum des Blutes möchte das, das ist offensichtlich. Das Spiel mit den verschiedenen sich überlappenden Zeitebenen ist ebenso ambitioniert wie die Vielzahl an Personen, die Teil der Geschichte sind. Außerdem überzeugt der Film durch sehr schöne Aufnahmen, sowohl vom Familienanwesen wie auch der Natur. Das alles reicht aber nicht so ganz, um ein Drama zu füllen, das gleichzeitig zu viel und zu wenig zu erzählen hat. Wer sich in elegischen Familienbetrachtungen daheim fühlt, der bekommt schon einiges geboten. Für viele droht hier aber eine große Portion Langeweile, während man darauf wartet, dass mal etwas passiert – von den diversen Sexszenen einmal abgesehen, die immer wieder eingebaut werden.
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