Das ist gerade noch einmal gut gegangen. Carmen (Angely Gaviria) war bereits gefesselt, das Feuer kurz davor, sie zu verschlingen. Schließlich ist die 18-Jährige eine Hexe. Und darauf sind die Menschen in Kolumbien 1646 wenig gut zu sprechen. Eine Chance bekommt sie aber, ihrem sicheren Tod zu entkommen: Sie wird in die Zukunft geschickt, genauer ins Jahr 2019, wo sie einen mächtigen Stein finden soll. Hört sich gut an, ist in der Praxis jedoch verdammt schwer. Zum einen hat sich im Laufe der Jahrhunderte doch so einiges getan. Außerdem ist sie nicht die einzige, die mit magischen Kräften ausgestattet ist.
Die Zeiten, in denen Frauen als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, sind glücklicherweise vorbei. Heute darf man mit dem Thema etwas unverkrampfter umgehen, daraus sogar richtig unterhaltsame Geschichten basteln. Eine davon war sicherlich Chilling Adventures of Sabrina, das letztes Jahr mit einer ganz eigenen Mischung aus Horror und Comedy den gleichnamigen Comics neues Leben einhauchte. Nun gibt es mit Einmal Hexe … schon die nächste Netflix-Produktion, in der junge, magisch begabte Frauen im Mittelpunkt stehen.
Hex, hex, die Effekte sind weg!
Diese hier stammt jedoch nicht aus den unheiligen Hollywood-Hallen. Stattdessen nimmt uns Einmal Hexe … mit nach Kolumbien, was zwangsläufig jede Menge Unterschiede mit sich bringt. Das Budget zum Beispiel ist sichtlich geringer. Spezialeffekte sind eher eine seltene Angelegenheit. Und wenn dann doch mal etwas passiert wie schwebende Figuren oder blinkende Körpermale, dann sieht das so billig aus, dass man für jeden nicht-magischen Moment dankbar ist. Oder es zumindest wäre, würde die Serie nicht auch inhaltlich schwer enttäuschen.
Irritierend ist beispielsweise, wie hier mit dem Thema Sklaverei umgegangen wird. Dass Carmen in ihrer Zeit eine Sklavin ist und sich in der Neuzeit mit der Situation arrangieren muss, plötzlich selbst etwas zu sagen zu haben, das ist interessant, irgendwo auch sympathisch. Außerdem: Wie oft sieht man schon eine schwarze Hexe als Hauptfigur? Nur spielt das alles irgendwie keine Rolle. Carmen entwickelt kein Gefühl dafür, wie besonders das ist, nimmt das alles schulterzuckend mit. Und auch sonst gibt es keine nennenswerte Entwicklung bei der Figur, deren herausstechendstes Merkmal ist, dass sie gut aussieht. Was leider mit den eher beschränkten schauspielerischen Mitteln von Hauptdarstellerin Angely Gaviria zusammenhängt, die zehn Folgen lang mit demselben Gesichtsausdruck durch die Gegend läuft.
Lachen an der falschen Stelle
Das ist anfangs noch vertretbar, wenn die Hexe aus vergangenen Zeiten mit den neuesten Entwicklungen schrittzuhalten versucht und entsprechend verwirrt dreinschauen darf. Einmal Hexe … versucht sich an den Stellen auch ein bisschen am beliebten Fish-out-of-Water-Humor, wenn Figuren sich in einer völlig fremden Gesellschaft wiederfinden und deren Regeln erst einmal lernen müssen. Siehe etwa Wonder Woman. Nur: komisch ist die Serie nicht, allenfalls durch die völlig misslungene englische Synchronisation, die jegliche Versuche auf Emotionalität ad absurdum führt. Eine deutsche gibt es hingegen nicht, was eigenartig ist bei einer Produktion, die sich ganz offensichtlich an Teenagerinnen wendet.
Die dürfen hier dann auch, entsprechende Vorlieben vorausgesetzt, bei richtig viel Drama mitzittern. Einmal Hexe … interessiert sich wenig für das vielversprechende Szenario, das es zunächst aufbaut. Stattdessen ist die kolumbianische Serie eine Telenovela über eine Gruppe von Jugendlichen, die sich gerade auch in Liebesdingen oft selbst im Weg stehen. Hier ein bisschen Unsicherheit, dort etwas Mobbing, dazu jede Menge düsterer Geheimnisse und tragischer Vorgeschichten: Hier wird alles reingepackt, was in diesem Segment gefragt ist, ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist dann nicht nur ziemlich over the top, teilweise auch böse kitschig. Es verhindert zudem, dass die Serie jemals richtig Fahrt aufnimmt. Immer wieder lassen sich Carmen und die anderen ablenken, verlieren dabei gern das Ziel aus den Augen. Sofern es das überhaupt gibt. Schade um das interessante Setting, strahlendweiße Strände und pechschwarze Hexerei sind an und für sich eine spannende Alternative zu den üblichen Genrebildern. Trotz der vielversprechenden Ausgangslage und diverser Wendungen wird daraus aber nichts, für das es sich tatsächlich einzuschalten lohnt.
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