Glück im Unglück hat Francisco Boix (Mario Casas), als er 1941 im Konzentrationslage Mauthausen landet. Denn die Talente des spanischen Kriegsfotografen sind dort gefragt. Das bedeutet nicht nur, dass er etwas besser behandelt wird als der Rest. Vor allem erlaubt ihm die Arbeit in dem Fotolabor, immer wieder Bilder der deutschen Gräueltaten beiseitezuschaffen und zu verstecken. Bilder, von denen er fest überzeugt ist, dass sie später einmal wichtige Beweise für die Verbrechen sein werden. Doch das ist natürlich mit einem hohen Risiko verbunden: Sollte er erwischt werden, droht ihm der sichere Tod.
Die Sieger schreiben die Geschichte, heißt es immer wieder. Da ist natürlich etwas dran, schließlich können sie bestimmen, was von einem Ereignis übrig bleibt und wie wir uns daran erinnern. Dass es aber auch anders geht, das beweist Francisco Boix: Der Fotograf von Mauthausen. Basierend auf der wahren Geschichte des spanischen Fotografen erzählt der Film, wie ein paar KZ-Insassen zusammenarbeiteten, um die Verbrechen von Nazi-Deutschland nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Denn das diese unter den Teppich gekehrt worden wären, gleich nach der Niederlage Deutschlands, daran bestand kein Zweifel. Nur keine Beweise zurücklassen, lautete die Devise.
Der Kampf in den Schatten
Das ist als Thema durchaus spannend, in zweifacher Hinsicht sogar. Zum einen ist Francisco Boix: Der Fotograf von Mauthausen eine wohltuende Alternative zu den üblichen Kriegsfilmen, in denen mithilfe von Waffen der Feind besiegt werden muss. Die Waffe hier, das sind eine Kamera, das sind Abzüge, die versteckt werden. Trotz des pazifistischeren Aufstands, an Spannung mangelt es hier nicht. Gerade weil Boix und die anderen keine Chance in einem offenen Kampf haben, sind viele Situationen so brenzlig. Einen Plan B gibt es nicht, keine Möglichkeit zu reagieren. Nur ein einziger Fehler und alles ist vorbei.
Aber auch das besagte Thema der Geschichtsschreibung bringt die eine oder andere Erkenntnis, zumindest aber Frage mit sich. Ein Foto zeigt immer die Wahrheit, so unsere Vorstellung. Das ist heutzutage, wo jeder selbst Hand anlegen kann, es keine Photoshop-Kenntnisse mehr braucht, um Gesichter auszutauschen oder Farben zu ändern, natürlich etwas überholt. Doch selbst in den 1940ern konnte jede Menge getrickst werden. Francisco Boix: Der Fotograf von Mauthausen geht darauf zwar nicht weiter ein, bedauerlicherweise, erinnert aber doch daran, dass ein Bild nie die Realität, sondern ein Blick auf die Realität ist. Das bringt Beschränkungen mit sich, die mal gewollt, mal unbewusst sind. Bilder zeigen nicht zwangsweise die Wahrheit, sondern können auch helfen, die Wahrheit selbst zu formen.
Plakative Plage
Während diese Grundsatzüberlegungen und Hinterfragungen dem Netflix-Film gut stehen, ist er an anderen Stellen umso einfacher gestrickt. Vor allem ist er manipulativ ohne Ende, was angesichts der obigen Themen mindestens kurios ist, wenn nicht gar eine Frechheit. Völlig missraten ist beispielsweise die Musik von Diego Navarro (Einmal Mond und zurück), die sich wie ein schwerer Teppich über alles legt. Immer wieder wird die Dramatik bis weit über die Schmerzgrenze aufgeblasen, das Publikum soll notfalls mit Gewalt dazu gezwungen werden, ganz ergriffen zu sein. Und auch bei den Figuren verzichtet Francisco Boix: Der Fotograf von Mauthausen auf jegliche Subtilität. Dass die Nazis die Bösen sind und die Gefangenen die Guten, dagegen lässt sich kaum argumentieren. Daraus solche Schablonen zu basteln, hilft aber nicht weiter, führt eher dazu, dass man das hier nur schwer ernstnehmen kann.
Gebraucht hätte es das alles nicht. Geschichte und Szenario sind gut genug, um eine zurückhaltendere Inszenierung vertragen zu können. Das menschenverachtende Treiben in den KZs spricht auch so für sich. Und auch die Besetzung hätte diese „Unterstützung“ nicht gebraucht. Mario Casas, einst als Teenie-Schwarm in seine Karriere gestartet, zeigt nach Die Haut des Wolfes nun schon zum zweiten Mal in einem Netflix-Film, dass er deutlich wandelbarer ist und sich nicht auf sein gutes Aussehen reduzieren lassen möchte. Denn Letzteres hat hier deutlich Federn gelassen, wenn sich der Spanien diverse Kilos runtergehungert hat und wie ein Schreckgespenst durch die Anlage huscht, dabei sogar gesprochenes Deutsch spricht. Denn hier wurde durchaus Wert auf Authentizität gelegt, wenn fleißig zwischen Sprachen gewechselt wird. Und auch die trüben Aufnahmen tragen dazu bei, dass die Atmosphäre prinzipiell überzeugend ausfällt.
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