Fruehes Versprechen
© Camino Filmverleih

Frühes Versprechen

Fruehes Versprechen
„Frühes Versprechen“ // Deutschland-Start: 7. Februar 2019 (Kino)

Auch wenn Romain (Pawel Puchalski) noch ein Kind ist, so weiß seine Mutter Mina (Charlotte Gainsbourg) doch jetzt schon, dass aus ihm einmal jemand ganz Großes wird. Ein weltberühmter Künstler zum Beispiel. Oder auch ein Diplomat, dem die Frauen zu Füßen liegen. Ihr eigenes Leben ist hingegen eher bescheiden. Zwar hat sich ihr Modesalon durchaus etabliert, Geld bringt er jedoch keines. Also erfüllt sie sich den lang gehegten Traum und geht mit ihrem Sohn nach Frankreich, wo er es später einmal besser haben soll. Doch dann kommt alles anders, statt der großen Künstlerkarriere steht für Romain (jetzt: Pierre Niney) erst einmal die Armee an, denn die Deutschen schicken sich gerade an, ganz Europa unterwerfen zu wollen.

Mehr als 30 Romane veröffentlicht zu haben, zweimal mit dem bedeutendsten französischen Literaturpreis – der Prix Goncourt – ausgezeichnet worden zu sein, doch, das ist etwas, auf das man stolz sein darf. Etwas, das in einer filmischen Biografie herausgeputzt und ausgestellt werden kann. Frühes Versprechen tut das nicht. Wer nicht selbst in der französischen Literatur belesen ist und daher den Namen Romain Gary kennt, der würde hier gar nicht auf die Idee kommen, dass da ein wichtiger Autor heranwächst. Oft erhält der im heutigen Litauen geborene Schriftsteller hier nämlich nicht die Gelegenheit, sein künstlerisches Talent auf die Probe zu stellen. Und wenn er dies tut, dann meistens erfolglos.

Die zweite Geige im eigenen Leben
Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Film auf dem gleichnamigen grob autobiografischen Roman von Gary basiert. Anstatt sich selbst ein Denkmal zu setzen, beleuchtet der Schrift sein spezielles Verhältnis zu seiner Mutter. Denn die war schon eine Helikopter-Mami, als es noch gar keine Helikopter gab. Für ihr Kind durfte es nur das Beste sein, in ihrer Fantasie zeichnete sie ihm einen Lebenslauf vor, den ein normaler Mensch nie erreichen würde. Pianist und Kriegsheld, Diplomat und Lebemann – erlaubt war, was auch immer Ruhm und Ehre einbrachte. Außer Maler natürlich, was Romain selbst gern geworden wäre. Denn die sind verrückt, so die Mama. Siehe Vincent van Gogh.

Wieviel davon nun wahr und wieviel hinzugedichtet ist, das wird nicht ganz klar. Eindeutig ist jedoch, dass Frühes Versprechen den großen Ambitionen von Mina mit einer dicken Portion ironischen Distanz begegnet. Sie als exzentrisch zu bezeichnen, wäre angesichts der vielen Marotten und eigenwilligen Ansichten noch freundlich ausgedrückt. Oft genug würde man auch sagen wollen: Die hat sie nicht mehr alle. Der Schritt zur Komödie ist hier nicht weit, auch Romain selbst wird später zu einer Beinahe-Witzfigur, die mit sich selbst spricht und zudem hypochondrische Züge entwickelt.

Die Tragik einer fremden Welt
Eine reine Farce ist Frühes Versprechen dennoch nicht. Dafür sind einzelne Entwicklungen innerhalb der Geschichte zu tragisch. Ob es nun die nicht selbst verschuldeten Geldnöte sind, Krankheiten oder auch der zunehmende Antisemitismus, welcher der Familie zusetzt, einfach war das Leben mit Sicherheit nicht. Vor allem nicht als alleinerziehende Mutter, die keine Hilfe von anderen bekam oder auch haben wollte. Zudem ist es auch beeindruckend, zu welchen Höchstleistungen Mina ihren Sohn bewegen konnte, was er alles möglich machte, nur um endlich die ersehnte Anerkennung zu erhalten.

Auf Dauer ist das recht anstrengend, da Madame Kacew so ziemlich jedem das Leben zur Hölle macht, dem sie begegnet. Das Publikum eingeschlossen. Und das ist schon für zwei Stunden zu viel. Es dauert zudem ziemlich lange, bis das Schicksal von Romain tatsächlich auch ungewöhnlichere Bahnen einschlägt – bis es so weit ist, ist Frühes Versprechen lediglich die Geschichte einer ungesunden Mutter-Sohn-Beziehung. Als One-Woman-Show ist das jedoch durchaus beeindruckend: Die sonst auf sanfte Rollen abonnierte Charlotte Gainsbourg (Antichrist, Jacky im Königreich der Frauen) wird hier zu einer unerwartet unerträglichen Schreckschraube, die kein Halten kennt und das Geschehen bis über die Schmerzgrenze hinaus dominiert. Das verleitet einen selbst dann zwar weniger zu Heldentaten, sehenswert ist es aber schon.



(Anzeige)

Was macht man nicht alles für die liebe Mama! In „Frühes Versprechen“ gibt der gefeierte französische Autor Romain Gary einen Einblick in sein sehr spezielles Verhältnis zu seiner Mutter, die ihn ohne Zurückhaltung und realistische Erwartungen zu Höchstleistungen antrieb. Das schwankt zwischen grotesk und tragisch, wird auf Dauer auch recht anstrengend, da lange keine Belohnung für die Tortur erfolgt.
6
von 10