Im Leben von Karl (Golo Euler) stimmt schon länger nichts mehr. Seine Arbeit hat er verloren, die Ehe ist aus, auch das Sorgerecht für sein Kind kann er sich abschminken. Nur der Alkohol ist ihm geblieben. Das und die Erinnerungen an seine Eltern Rudi (Elmar Wepper) und Trudi (Hannelore Elsner). Die sind zwar schon zehn Jahre tot, verfolgen ihn aber noch immer. Da steht auf einmal Yu (Aya Irizuki) vor ihm, die damals seinem Vater Gesellschaft leistete in Japan, nach dem Tod seiner Frau. Sie ermuntert ihn dazu, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen und überredet ihn sogar, dem alten Familienhaus einen Besuch abzustatten. Ein Besuch mit dämonischen Folgen.
Ein klarer Fall von: „Was, ernsthaft?“ Nicht dass es verwerflich wäre, Fortsetzungen von Filmen zu drehen. Das kann inhaltlich sinnvoll sein, wirtschaftlich ohnehin. Zumindest bei erfolgreichen Filmen. Und erfolgreich war Kirschblüten – Hanami, sehr sogar. 1,1 Millionen Besucher lockte das Drama seinerzeit in die Kinos, was für einen Arthouse-Vertreter schon außergewöhnlich ist. Dass Doris Dörrie sich ein bisschen an diese Zahlen zurücksehnt, ist verständlich, zuletzt wollten immer weniger Leute ihre Werke sehen. Die Komödie Alles inklusive brachte es 2014 nur noch auf knapp 100.000 Zuschauer, Grüße aus Fukushima blieb – trotz erneuten Japanbezugs – noch darunter. Warum also nicht mit den Figuren von damals eine neue Geschichte erzählen?
Ob das so eine gute Idee war …
Was auf Anhieb noch naheliegend wirkt, ist es aber nicht. Schließlich sind zehn Jahre seit damals vergangen, die Kinolandschaft hat sich kräftig verändert. Die beiden Hauptfiguren von Kirschblüten – Hanami waren am Ende tot, was einen Nachfolger deutlich erschwert. Stattdessen mit deren Kindern weiterzumachen und die Eltern als Geister auftreten zu lassen, das riecht schon ein bisschen nach Notlösung. Wenn dann auch noch die Figur des Karls durch einen neuen Schauspieler verkörpert wird – Golo Euler (Fado, Die letzte Sau) ersetzt Maximilian Brückner –, dann ist endgültig Skepsis angesagt.
Leider bestätigt sich diese Skepsis auch recht bald. Zwar greift Dörrie erneut auf die Elemente von damals zurück, wenn sie hier bayerische Bodenständigkeit und fernöstliche Spiritualität miteinander verrührt. Was vor zehn Jahren jedoch noch eine reizvolle Kombination war, verkommt hier zu einer fortwährenden Willkürlichkeit, die weder ein klares Ziel vor Augen hat, noch etwas Interessantes zu erzählen. Kirschblüten & Dämonen, das ist im Grunde nur eine Aneinanderreihung von tragischen bis deprimierenden Szenen. Momentaufnahmen, deren einzige Voraussetzung die war, dass etwas nicht stimmt. Nicht nur, dass Karl alles in seinem Leben verkehrt gemacht macht. Sein Bruder ist inzwischen Teilzeitnazi, der Neffe verbarrikadiert sich in seinem Zimmer – das japanische Phänomen Hikikomori sollte wohl unbedingt rein. Später wird es sogar regelrecht absurd, welche Abgründe der Film beim Umherwandern so findet.
Depression und Lachanfall
Was eigentlich eine Auseinandersetzung mit dem schwierigen Erbe der Eltern hätte sein können, alternativ auch eine Selbstfindung, wird zu einem unfreiwillig komischen Karneval des Schreckens. Dazu tragen auch die diversen Szenen bei, in denen Wepper und Elsner aus dem Jenseits heraus noch einmal das Leben zur Hölle machen dürfen. Ob wirklich die Geister der Vergangenheit umherwandern oder alles nur ein alkoholgeschwängerter Traum ist, das bleibt dabei offen. Wirkliche Schlüsse lassen sich aus diesen Momenten nicht ziehen, dafür sind sie nicht konsequent genug. Sie gehen nicht zu Herzen, obwohl sie das sollten. Unheimlich sind sie ohnehin nicht, die verwaschenen Stroboskoperscheinungen irritieren vielmehr. So wie die ständig umherwackelnde Kamera allgemein einen gefestigten Magen voraussetzt.
Das ist schade, wenn nicht gar wirklich ärgerlich. Dass Dörrie einiges zu erzählen hat, das nimmt man ihr ab. Ihr steht auch ein mehr als patentes Ensemble zur Verfügung. Unter anderem sorgt Birgit Minichmayr (Die Goldfische) für etwas rohe Bodenständigkeit, die letztes Jahr verstorbene japanische Grande Dame Kirin Kiki (Shoplifters – Familienbande) überzeugt in einer ihrer letzten Rollen mit einer rührenden Zerbrechlichkeit. Die meisten Darsteller stehen aber verständlicherweise etwas ratlos herum, wissen nicht so recht, wie ihnen oder anderen geschieht. Ein paar wenige schöne Aufnahmen lenken von der inhaltlichen Misere ab, aber nicht genug, um diesen fehlgeleiteten Film rechtfertigen zu können. Manche Geister lässt man dann doch besser dort, wo sie gerade sind.
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