Ein Vater (Casey Affleck) und seine elf-jährige Tochter Rag (Anna Pniowsky) leben im Wald, fernab der Gesellschaft, jederzeit bereit sich zu verteidigen und den Schlafplatz zu verlassen. Zunächst lassen das abendliche Ritual des Geschichtenerzählens und die Streifzüge durch den Wald einen ganz normalen Campingausflug vermuten. Doch der Schein trügt. Spätestens wenn der Vater das Zelt mit Lärmfallen sichert, sich äußerst misstrauisch einem Fremden gegenüber verhält und dann schnellstmöglich mit seiner Tochter aufbricht, ist klar, dass etwas nicht stimmt. Nachdem vor vielen Jahren alle Frauen durch einen Virus ums Leben gekommen sind, ist seine Tochter das Wertvollste, was es in der postapokalyptischen Welt zu beschützen gilt. Egal was kommen mag.
Endzeit mit persönlichem Hintergrund
Das Drehbuchdebüt und die zweite Regiearbeit von Casey Affleck (Manchester by the Sea) feierte im Februar 2019 auf der Berlinale seine Weltpremiere. Das Drama, welches in erster Linie nach eigenen Aussagen gar nicht als solches geplant war, beruht auf Momentsammlungen Afflecks mit seinen Söhnen. Anfänglich war Light of My Life auch als Vater-Sohn-Geschichte konzipiert. Während das Drehbuch Form annahm, entschied sich Affleck jedoch dagegen und befand eine Vater-Tochter-Konstellation für stimmiger.
Diese Tochter wird herausragend von der Kanadierin Anna Pniowsky gespielt. Da der Zuschauer zumeist Vater und Tochter gemeinsam auf der Leinwand sieht, war es wichtig, einen charismatischen, harmonisierenden Gegenpart zu finden. Dies ist mit Pniowsky ausnahmslos gelungen. Casey Affleck spielt den namenlosen Vater ebenso überzeugend – mit all seinen Ängsten, Sorgen, Unsicherheiten und der Trauer um seine verstorbene Frau. Details oder größere Ausflüge in die Vergangenheit, die das Virus erklären würden, bleiben aus. Stattdessen werden hier und dort gekonnt kleine Rückblenden eingestreut, die den Verlust seiner Frau (gespielt von Elisabeth Moss) in gewisser Weise aufarbeiten und auch eine größere Rolle in Bezug auf Rag spielen, die ihre Mutter nie kennengelernt hat. Die sehr gut geschriebenen Dialoge, die zum Teil im Streit oder in eher peinlich unangenehmen Situationen münden, machen es dem Zuschauer sehr einfach, sich mit beiden Charakteren und deren Handeln zu identifizieren und in die Situation hineinzuversetzen.
Ruhiges, aber kraftvolles Genre-Drama
Der Film startet mit einer fast 12-minütigen Einstellung, die uns beide in einer Draufsicht an ihrer Vertrautheit und an ihrem Familiendasein teilhaben lässt. Kameramann Adam Arkapaw, der zuvor unter anderem für die erste Staffel True Detective mitverantwortlich war, gelingt es mit langen, ruhigen Einstellungen, dezenten Farben und beeindruckenden Landschaftsaufnahmen, die jeweilige Situation in der sich das Vater-Tochter-Gespann befindet, perfekt atmosphärisch einzufangen. Zusätzlich wird dies noch von einer wunderschönen Musik von Daniel Hart begleitet, der auch schon bei Afflecks A Ghost Story komponierte.
Oft wird der Zuschauer stiller Teilhaber und Beobachter von emotional sehr angespannten Situationen, die zum Schluss zu eskalieren drohen. In einer aus dem Gleichgewicht geratenen Welt wird das Vater-Tochter-Verhältnis immer wieder auf eine Probe gestellt. Beide müssen daran wachsen, um sich ihr Vertrauen und ihren Glauben ins sich selbst und vielleicht sogar in die ganze Welt zu bewahren. Irgendwo zwischen Leave No Trace, A Ghost Story, Children of Men und The Road angesiedelt, gelingt Affleck ein ruhiges, aber kraftvolles Drama, das auch durch Spuren des Horror- und Sci-Fi-Genres zu überzeugen weiß.
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