Große Lust hatte Nadia (Natasha Lyonne) ja nicht gerade auf diesen Abend. Eine Party, ausgerechnet zu ihrem 36. Geburtstag? Darauf hätte sie gern verzichtet. Nachdem ihre Freundin Maxine (Greta Lee) aber so viel Arbeit investiert hat, gab es kein Entkommen. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Als Nadia beim Verlassen des Hauses ums Leben kommt, findet sie sich plötzlich auf der Party wieder. Und egal, was sie tut, welchen Tod sie auch stirbt, sie wird immer wieder zu ein und demselben Moment zurückgebracht. Doch dann tritt Alan (Charlie Barnett) in ihr kurzes Leben, der der Schlüssel zu dieser rätselhaften Nacht sein könnte.
Matrjoschka ist eine Serie, die es einem leicht macht, sie im Vorfeld schon abzuschreiben. Da wäre der für viele unaussprechliche Titel, der sich auf die bekannten russischen Puppen aus Holz bezieht, die ineinander gestapelt werden können. Gesehen haben dürften die meisten diese eierförmigen Gestalten sicher, der Name wird inzwischen aber weniger Leuten gebräuchlich sein. Da geht der englische Originaltitel Russian Doll doch deutlich leichter von der Zunge. Andererseits, diese leichte Exzentrizität ist überaus passend für ein Werk, das einem bekannt vorkommt und doch ganz anders ist. Denn wie bei der inspirierenden klassischen Holzvorlage entdecken wir in der Netflix-Produktion Schicht für Schicht etwas Neues.
Ein guter alter Bekannter
Der Einstieg lässt das so gar nicht vermuten. Zeitschlaufenfilme sind nun wirklich keine Seltenheit, viele haben das durch Und täglich grüßt das Murmeltier so populär gewordene Szenario für sich entdeckt, dass eine oder mehrere Personen denselben Moment immer wieder durchleben müssen. Anfangs meint man noch, Matrjoschka würde hier das Prinzip von Happy Deathday auf Serienlänge ausweiten. In beiden Fällen stirbt schließlich eine junge Frau jeden Tag aufs Neue, auf die unterschiedlichsten Weisen, und sucht nun nach einer Erklärung für die rätselhafte Erfahrung. Und vor allem nach einem Ausweg aus der Misere.
Matrjoschka fackelt dabei nicht lange, es dauert nicht einmal zehn Minuten, da ist Nadia schon tot. Oder wäre es. Was im Anschluss folgt, sind die üblichen Elemente einer solchen Zeitschlaufen-Geschichte: eine verwirrte Protagonistin, ein Déjà-vu-Gefühl, ein ebenso irritiertes Umfeld, das nicht weiß, was es von dem Blödsinn halten soll, das die Zeitlose so von sich gibt. Das funktioniert immer, ist auch in der 1000. Variante immer noch irgendwie unterhaltsam. Zumal das Opfer hier eben nicht irgendwer ist, sondern Natasha Lyonne. Und wer sie aus Orange Is the New Black oder auch Antibirth kennt, der weiß, dass sie mit ihrer rotzig-rohen Art noch die banalste Situation komisch werden lässt.
Eine Serie, so überraschend wie das Leben
Doch Lyonne, die gemeinsam mit Leslye Headland und Amy Poehler die Serie entwickelte, hatte glücklicherweise mehr vor, als Nadia tausend dumme Tode sterben zu lassen. Auch wenn das Drumherum einem mehr als bekannt vorkommt, so ist Matrjoschka doch ein Beispiel, wie dieses Gimmick sinnvoll genutzt werden kann. Und auch auf eine überraschende Weise: Die Geschichte entwickelt sich in viele Richtungen weiter, die man so nicht unbedingt kommen sieht. Vor allem die Stimmung ist dabei überaus wankelmütig, kombiniert ähnlich zum Netflix-Kollegen Maniac skurrilen Humor mit tragischen Geschichten, die einen stärker erschüttern, als es so manches „echtes“ Drama schafft.
Das ist auch den Figuren und ihren entsprechenden Darstellern zu verdanken. Die Naturgewalt Lyonne droht natürlich wie immer, alle anderen durch ihre pure Präsenz klein und unbedeutend wirken zu lassen. Doch das klappt wunderbar im Kontrast mit Charlie Barnett, der den nicht minder verkorksten, aber sehr ruhigen Alan spielt. Ohnehin, so richtig normal ist in Matrjoschka keiner, hier werden Spleens noch aus purem Herzen ausgelebt, auf eine mal mehr, mal weniger sympathische Weise. Sympathisch ist aber, wie die Serie eben diese Verrücktheiten nicht als Selbstzweck unterbringt. Im Gegenteil: Die Geschichte um eine nicht enden wollende Party ist vielmehr eine Ode an all die kaputten Leuten da draußen. Höllisch witzig, todtraurig, zum Ende auch sehr spannend, dabei aber auch charmant und von einer nur selten gesehenen Menschlichkeit: Der auch musikalisch variantenreich-mitreißende Geheimtipp ist nicht nur mehr, als er auf den ersten Blick erkennen lässt, sondern schon jetzt einer der großen Serienhöhepunkte von 2019.
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