Ted Bundy ist einer der bekanntesten Serienmörder Amerikas. Zwischen 1974 und 1978 soll er in mehreren amerikanischen Staaten über 30 junge Frauen angegriffen, vergewaltigt und ermordet haben. Am 24. Januar 1989 wurde er schlussendlich in Florida auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Bis heute sind Details seiner Beweggründe, die wirkliche Anzahl seiner Opfer sowie eine aufklärende psychologische Evaluierung unbekannt. Stephen Michaud, seines Zeichens Journalist, erhielt damals die Erlaubnis von Theodore Robert Bundy, so sein voller Name, ihre Gespräche aufzuzeichnen, um seine Unschuld beweisen zu können. Was folgt, ist ein vierteilige Expedition in die Historie eines Mörders, chronologisch aneinandergereiht und von seinen persönlichen Erzählungen in ein groteskes Licht gerückt.
Regisseur Joe Berlinger machte dieser Tage mit News über das gleiche Thema auf sich aufmerksam. Seine anstehende Filmadaption Extremely Wicked, Shockingly Evil, and Vile des notorischen Serienmörders, mit Zac Efron (Greatest Showman) in der Hauptrolle, stieß mit seinem jüngst erschienenen Trailer auf großen medialen Gegenwind. Die charmante, Süßholz raspelnde Porträtierung eines Serienmörders würde seine Opfer in die Lächerlichkeit ziehen und Bundy heroisieren – so der allgemeine Tonus. Doch genau das machte Ted Bundy damals aus!
Ein Lächeln in der Dunkelheit
Ein Mann des Volkes. Jemand wie du und ich! Immer ein Lächeln auf den Lippen, um keinen Spruch verlegen und sobald die Kameras angingen, begann seine Show der Selbstinszenierung. Ted Bundy schien das absolute Gegenteil des stereotypischen Serienmörders zu sein, deren Taten oftmals auf prägende Kindheitstraumata zurückgeführt werden konnten, während sie selbst Eigenbrötler waren, die nicht selten fern jeglicher sozialer Kontakte agierten.
Seine Jugend beschreibt er als vorbildlich und anstrebenswert. Viele Freunde, ein ambitionierter Schüler, der Traum, als zukünftiger Präsident der Vereinigten Staaten, die Nation in eine bessere Zukunft zu führen. Im stetigen Kontrast zu seinen Aussagen stehen die jener Freunde und Bekannter, die seine malerische Vergangenheit entkräftigen, aber keinesfalls das Bild eines angehenden Mörders zeichnen. Es folgt sein Jurastudium, seine politische Aktivität, seine erste Freundin. Zusätzlich zum aufgenommenen Audiomaterial flimmert Bildmaterial aus alten Zeiten über die Szenerie, welches die Atmosphäre für die bevorstehenden Gräueltaten setzt und Ted Bundys dunkle Seite ankündigt.
Der blutige Pfad Bundys
Der Rest ist blutige Geschichte. Junge, attraktive Frauen verschwinden, die Polizei kommt ihm langsam auf die Schliche, aber bevor sie ihn erwischen können, wechselt er die Staaten, wo alles von vorne beginnt. Gerade hier wird sein wohl größter Vorteil klar: Der nicht vorhandene technologische Fortschritt, der eine Kommunikation zwischen den einzelnen Staaten zu damaligen Zeiten erschwert. Jagt man heutzutage Bild und Fingerabdruck durch ein Computerprogramm und erhält binnen Sekunden ein detailliertes Täterprofil, war es damals ein mühsamer und oftmals nicht vorhandener Prozess der Identitätsermittlung. Ein staatenübergreifendes Katz und Maus Spiel. Er wurde festgenommen, entfloh, wurde festgenommen, entfloh und mordete erneut. Ein Mix aus Catch Me If you Can und Jack the Ripper. Halb Hollywood, voll und ganz Realität!
Eine Inszenierung bis zu Letzt
Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders gibt einen faszinierenden Einblick in die Geschichte seines Namensgebers. Besonders die Interviews mit involvierten Personen, ob entflohenes Opfer, Detektiv oder Anwalt, in Kombination mit altem Videomaterial, verleihen der Mordserie eine schauerliche Intimität. Ted Bundys Audiokommentare dienen bis auf einige wenige Momente mehr der eigenen Egozentrik und stützen sein für die Öffentlichkeit konstruiertes Erscheinungsbild. Die Dokumentation verschafft einen guten Überblick über Geschehnisse und Nebenschauplätze, schafft es aber nicht, die auf Hochglanz polierte Scheinpersönlichkeit von Bundy zu durchdringen und greift nicht selten auf unnötige Stilmittel zurück, die auf seine dunkle Seite aufmerksam machen sollen. Weniger aufklärend, dafür modern aufbereitet.
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