17 Jahre ist es her, dass Erin Bell (Nicole Kidman) vergeblich versuchte, den Verbrecher Silas (Toby Kebbell) hinter Schloss und Riegel zu bringen. Vergessen hat sie ihn jedoch nie, bis heute nicht, aus der toughen Polizistin ist ein Wrack geworden, das kaum mehr etwas auf die Reihe bekommt. Da erhält sie einen Hinweis, dass Silas wiederaufgetaucht ist und neue Dinger dreht. Für Erin bietet das die Chance, ihren damaligen Fehlschlag wiedergutzumachen und den brutalen Gangster doch noch seiner gerechten Strafe zuzuführen. Und sie ist fest entschlossen, diese Chance zu nutzen, wie hoch am Ende auch der Preis ausfallen mag.
Sonderlich viele Filme dreht Karyn Kusama ja leider nicht. Aber wer die wenigen kennt, vor allem ihr letztes Werk The Invitation, der weiß, dass die US-Regisseurin es ganz gerne mal ein wenig düsterer mag. Aber selbst mit diesem Wissensvorsprung dürfte kaum ein Zuschauer darauf vorbereitet gewesen sein, was Destroyer für einen bereit hält. Schließlich spielt ja Nicole Kidman die Hauptrolle. Und auch wenn die Australierin durchaus immer mal wieder in Genrewerken mitwirkt – etwa The Others oder The Killing of a Sacred Deer –, so richtig schlimm wird es dabei normalerweise nicht.
Kaum wiederzuerkennen
Hier schon. So schlimm, dass man manchmal schon mehrfach hinschauen muss, um sich zu vergewissern, dass es sich wirklich um Kidman handelt. Sicher, schon in The Hours zeigte sie ihre Bereitschaft, im Zweifelsfall auch mal auf ihr makelloses Aussehen zu verzichten. Doch wo sie in ihrer oscargekrönten Darstellung von Virginia Woolf zu einer grauen Maus mutierte, da wird sie hier zu einem Schreckgespenst, vor dem selbst erwachsene Männer schreiend davonlaufen. Die Haare ausgeblichen und ungepflegt, die Haut fleckig, die Augen glasig, als würde sie schon seit langem nichts mehr sehen. Und auch das Sprechen scheint ihr Schwierigkeiten zu bereiten, die rauen Laute, die sich aus ihrer Kehle quälen, sind manchmal nahe der Unverständlichkeit.
Destroyer, das auf dem Telluride Film Festival 2018 Premiere feierte, ist dabei zwei Filme auf einmal. Der eine Teil behandelt Erin Bell als Person. Die diversen Flashbacks, die Kusama immer wieder einbaut, zeigen nicht nur den enormen Kontrast zwischen der jüngeren und der älteren Variante. Sie helfen auch dabei, die abstoßende und unsympathische Polizistin besser zu verstehen. Denn nicht jedes Monster wird als solches geboren. Manchmal wird man erst zu einem gemacht.
Ein sich abzeichnender Abgrund
Damit einher geht der eigentliche Kriminalfall. Der Part, der in der Gegenwart spielt, ist dabei der weniger interessante. Sehr geradlinig ist die Geschichte, Erin kämpft sich von einem Hinweisgeber zum nächsten, mit dem endgültigen Ziel, Silas ausfindig zu machen. Eigentlich ist auch das nur ein Anlass, um die Abgründe der Polizistin aufzuzeigen, die sich für nichts mehr zu schade ist und der jedes Mittel recht ist. Spannend wird Destroyer durch die erst nach und nach offenbarten Puzzlestücke, die sich zu einem etwas anderen Bild zusammensetzen, als man es im Vorfeld erwartet hätte.
Ein Fall für die Massen ist das jedoch nicht, das Zielpublikum dürfte hier trotz des Starfaktors eher klein sein. Für einen echten Actionfilm ist das hier zu ruhig, der Beitrag der Fantasy Filmfest White Nights 2019 verlässt sich mehr auf eine unheilvolle Atmosphäre als auf die Handlung. Für ein Personendrama fehlt hingegen die Tiefe, gerade auch bei den Nebenfiguren, die nur selten Charakter zeigen. Das zusammen macht die zwei Stunden manchmal zu einer Geduldsprobe. Aber es ist doch eine schön schreckliche Geduldsprobe, die so voller Dreck ist, dass man sich im Anschluss an den Kinobesuch lieber unter die Dusche stellt und mit sich ringt, ob man das Gesehen nun vergessen oder behalten will.
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