Es ist ein sehr feierlicher Anlass, der die berühmte Sopranistin Roxanne Coss (Julianne Moore) nach Südamerika führt: Sie soll auf der Geburtstagsfeier des japanischen Industriellen Katsumi Hosokawa (Ken Watanabe) ein exklusives Konzert geben. Die Feierlaune wird jedoch empfindlich gestört, als eine Gruppe von Guerillas das Gebäude stürmen, um den Präsidenten des Landes gefangen zu nehmen. Doch der hat kurzfristig abgesagt, um lieber daheim ungestört fernsehen zu können. Das sorgte nicht nur bei den Gästen für Irritationen, auch die Geiselnehmer wissen nicht, was sie mit der Situation anfangen sollen. Denn eigentlich sind sie mit einem ganzen Katalog an Forderungen angerückt, die der Präsident hätte erfüllen sollen.
Den Namen Paul Weitz verbinden fleißige Kinogänger eigentlich in erster Linie mit Komödien, gerne auch im jugendlichen Umfeld – American Pie und About a Boy gehören zu den bekanntesten Werken des Regisseurs und Drehbuchautors. Jugendliche sind in seinem neuesten Film Die Geiselnahme praktisch nicht vorhanden. Auch Humor steht nicht so richtig auf dem Programm, selbst wenn der Einstieg durchaus kurios ist: Der Präsident lässt eine wichtige Veranstaltung platzen, weil er lieber vorm Fernseher sitzt. Da könnte man natürlich auch an den notorisch TV-süchtigen Trump denken. Doch die Figur hier ist deutlich älter, stammt aus dem Roman Bel Canto von Ann Patchett.
Der Terrorist, dein Freund?
Dieser war 2001 durchaus renommiert, gewann mehrere bedeutende Literaturpreise. Eine Adaption war dann aber doch etwas schwieriger. Denn auch wenn die Geiselnahme auf einen zünftigen Thriller schließen lässt mit jeder Menge Nervenkitzel, großen Schussszenen und einer heldenhaften Rettung, die Geschichte geht in eine völlig andere Richtung. Patchett nahm sich eher der Menschen an, die durch den unvorhergesehenen Verlauf gezwungen sind, einen Monat miteinander zu verbringen, beschreibt, wie der wild zusammengewürfelte Haufen sich nach und nach näherkommt. Das schließt die Geiselnehmer ausdrücklich mit ein, die hier mehr sein dürfen als schießwütige Terroristen.
Der Versuch, der üblichen Genre-Schwarzweiß-Malerei ein paar Nuancen abzugewinnen, ist natürlich löblich, insgesamt auch besser gelungen als bei 7 Tage in Entebbe, das eine reale Flugzeuggeiselnahme 1976 aufarbeiten wollte. Zudem ist es schön, dass hier auch mit Sprachen gearbeitet wurde. Der Schauplatz liegt in Südamerika, der Hauptgast ist Japaner, der Star eine US-Amerikanerin – da sind Kommunikationsschwierigkeiten vorprogrammiert. Weitz wischt diese nicht einfach beiseite, wie es bei Hollywood-Produktionen üblich ist, sondern versucht auch mit sprachlichen Mitteln die Gräben bzw. die Annäherung zu veranschaulichen.
Gute Bestandteile, enttäuschendes Ergebnis
Richtig glücklich ist das Ergebnis dennoch nicht. Die Geiselnahme schafft das wenig nachahmenswerte Unikum, gleichzeitig zu lang und zu kurz zu sein. Die Handlung ist sehr sparsam angelegt, eine Entwicklung entsteht fast ausschließlich durch Dialoge, es braucht da schon einiges an Geduld. Erschwerend kommt hinzu, dass der Film keinerlei Hinweise gibt, wie viel Zeit eigentlich verstreicht. Dass es am Ende ein Monat sein wird, das wird währenddessen nie gesagt, ist auch nicht spürbar. Gleichzeitig sind rund 100 Minuten nicht genug Zeit, um die Vertiefung glaubwürdig voranzubringen. Schon die erste Annäherung zwischen der Opernsängerin und dem japanischen Industriellen wirkt sehr forciert. Da war das Ziel wichtiger als der Weg dorthin. Und auch an anderen Stellen ist der Film eher unbeholfen, wenn das alles ein klein wenig sprunghaft vonstattengeht.
Dabei ist die Besetzung hochkarätig. Das Augenmerk liegt dabei natürlich auf Julianne Moore (Still Alice) und (The Sea of Trees), die noch ein wenig Romantik in die Geschichte bringen. Aber auch die unbekannteren Darsteller des Ensemble-Dramas erledigen ihre Aufgaben ansprechend. Aber irgendwie ist die Summe weniger als die für sich genommen vielversprechenden Einzelteile. Trotz der brisanten Situation entsteht keine echte Spannung, die inhaltlichen Ambitionen verkommen gerne mal zu Schlagwörtern. Die menschliche Komponente ist bei diesem Thema zwar interessant, der Film als solcher ist es eher weniger.
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