Hach, die gute alte „goldene Ära“ Hollywoods: Superstars wandeln durch überlebensgroße Studiokulissen, um in den sündhaft teuren Monumentalepen ihr eskapistisches Publikum zu begeistern. Zwischen den frühen 30ern und den späten 50ern brauchte das Erfolgsrezept der großen Studiofilme nur wenige Zutaten: Vertragsgebundene Schauspielgrößen wie Cary Grant, John Wayne oder Erol Flynn spielten unter Regisseuren wie Billy Wilder, Alfred Hitchcock oder Howard Hawks in Genres wie dem Western, dem Musical oder dem Abenteuerfilm. Die Wikinger atmet diese „goldene“ Luft noch, doch schon bald sollte der Traumfabrik die Puste ausgehen. Anfang der 60er ging es bergab: Die Stars starben weg, die Regisseure hatten ihre Klassiker gedreht und die Studios wurden von rückständigen, alten, weißen Männern geführt. Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen. Und so kam es Mitte der 60er zu Wende – das New Hollywood-Kino übernahm das Ruder. Apropos Ruder…
Die Wikinger ist einer der letzten großen Epen dieser Zeit und erzählt die Geschichte des tyrannischen Wikinger-Anführers Einar (Kirk Douglas), dem Sohn von Plünderer Ragnar (Ernest Borgnine). Was Einar nicht weiß: Der von ihm als Kind versklavte Eric (Tony Curtis) ist der auf einem Raubzug entstandene Sohn von Ragnar und der vor 20 Jahren überfallenen englischen Königin. Doch wer nun auf familiäre Glückseligkeit hofft, wird schon bald eines Besseren belehrt, denn Eric schwört will sich an seinem Vater Ragnar und seinem Halbbruder Einar rächen.
Große Namen vor und hinter der Kamera
Das Drehbuch von Dale Wasserman und Calder Willingham beruht auf dem Roman Die Wikinger von Edison Marshall. Auch wenn Regisseur Richard Fleischer bereits zehn Jahre zuvor für seinen Dokumentarfilm Design for Death (1947) mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, gelangte er erst im Laufe der 60er zu größerer Berühmtheit. Seine Filme wie Die phantastische Reise (1966), Doctor Dolittle (1967) und Tora! Tora! Tora! (1970) waren Kassenschlager und verschafften ihm den Ruf des emsigen Handwerkers. Die Mitglieder seines männlichen Hauptdarsteller-Trios, bestehend aus Kirk Douglas, Ernest Borgnine und Tony Curtis, waren zu dieser Zeit schon gestandene Größen in Hollywood, sollten jedoch die Höhepunkte ihrer Erfolge auch erst noch vor sich haben.
Auch wenn viele Elemente der gezeigten Geschichte eine für Hollywood-Verhältnisse hohe Authentizität aufweisen, kann man das von dem Rollenalter des Wikinger-Vater-Sohn-Gespanns nicht behaupten. Auch wenn Borgnine den Vater von Douglas spielt, war dieser in Wirklichkeit 1,5 Monate älter als Borgnine. Die Rollenklischees wirken heutzutage weit überholt, die Geschlechterrollen klar zugeteilt. Die maskulinen und vor Testosteron nur so strotzenden Krieger trinken, kämpfen und regieren über die unterdrückten Frauen, die lediglich als Eye Candy dienen. Wenn drei Axtwürfe auf eine hilflose, wortwörtlich an den Pranger gestellte Frau darüber entscheiden, ob diese ihrem Mann treu war oder nicht, dann brennen heute jeder Feministin zurecht die Sicherungen durch.
Die gezeigte Geschichte beruht mehr oder weniger auf historischen Ereignissen aus dem 9. Jahrhundert. Während manche Charaktere auf echten Personen basieren, wurden andere Figuren, Zeiträume und Geschehnisse dramaturgisch angepasst. Sehr authentisch wirken hingegen die Ausstattung in Form der imposanten Drachenschiffe und die wunderschönen Drehorte in Frankreich, Kroatien und Norwegen. Diese heben Die Wikinger auch von anderen Produktionen der Zeit ab, bei denen die meisten Szenen eigentlich im Studio vor überlebensgroßen Kulissen entstanden. Entsprechend herausfordernd waren auch die Dreharbeiten für Cast und Crew. Gerade im norwegischen Hardanfjord mussten die Schauspieler der eisigen Kälte trotzen. Während Kirk Douglas die Kälte noch am besten vertrug, machte ihm hingegen die Kontaktlinse, die sein blindes Auge simulieren sollte, schwer zu schaffen. Er konnte sie immer nur wenige Minuten am Stück tragen und musste sie zwischen den Takes entfernen.
Spektakel auf hoher See
Am Ende sind es vor allem die wunderschönen Kulissen, die opulente Ausstattung und der illustre Cast, der Die Wikinger zu einem sehenswerten Spektakel macht und einen unterhaltsamen, wenn auch dramatisierten Einblick in die Welt der Wikinger ermöglicht. Aufwendig choreografierte Schlachten treffen auf hollywoodtypische Dramatik – alles eingefangen in beeindruckenden Bildern von Kameramann Jack Cardiff. Capelight Pictures veröffentlicht den Abenteuerfilm im schicken, matten Mediabook inklusive eines informativen Booklets. Als weitere Extras gibt es Featurettes und Trailer. Für den Cineasten mit Englischkenntnissen ist auch die Originaltonspur ein besonderer Reiz: Hier ist als Erzähler kein geringerer als Regie-Ikone Orson Welles (Citizen Kane, 1941) zu hören.
(Anzeige)