Drei Steine, die in die drei großen Gewässer Ägyptens geworfen werden müssen – der Nil, das Mittelmeer, das Rote Meer –, das empfiehlt der Schamane, um die Probleme zu lösen. Und Probleme gibt es mehr als genug. Ali (Ali Subhi) ist beispielsweise etwas zu vernarrt in eine Ziege, mit der er unentwegt spricht und die er Nada nennt. Ibrahim (Ahmad Magdy) wiederum leidet seit seiner Kindheit schon unter furchtbaren Geräuschen, die sein Leben immer wieder zur Hölle machen. Und sie werden schlimmer. Ob Steinewerfen dagegen hilft? Die Skepsis ist groß. Dennoch machen die beiden sich gemeinsam auf den Weg durch das Land, aus der Zweckgemeinschaft wird mit der Zeit eine gute Freundschaft.
Dass Menschen mit ihren Haustieren sprechen, das ist kein besonders seltenes Phänomen. Kleinere Anweisungen wie „Sitz“ und „Aus“ gehören zum festen Vokabular von Hundebesitzern, manchmal werden die Vierbeiner auch zum Gesprächspartner, weil passende zweibeinige Pendants fehlen. Aber die wenigsten dürften davon ausgehen, dass die komplexeren Sachverhalte tatsächlich auf verständnisvolle Ohren stoßen. Dass die tierischen Begleiter über die Anweisungen hinaus wissen, was man ihnen da sagt.
Aus voller Überzeugung anders
Ali tut das. Und er tut das mit einer solchen Überzeugung und Konsequenz, dass man nicht genau weiß: Soll ich ihn auslachen oder bemitleiden? Zumal Ziegen eben nicht die üblichen Haustiere sind, denen man diese Form von Zuneigung zubringt. Sie sind Nutztiere, meistens. Nader ist das nicht. Und auch bei Ali hat man so seine Zweifel, ob er irgendeinen Nutzen mit sich bringt. Er ist mehr der Typ Außenseiter, so will man am Anfang glauben, wenn Die Ziege seinen Spleen doch ziemlich ausschlachtet. Ein harmloser Spinner, so will es einem der Film weiß machen.
Insgesamt überwiegen bei Die Ziege auch die komischeren Töne für eine ganze Weile. Dass an den Geschichten der beiden mehr dran ist, dass die Schicksale der beiden sogar überaus tragisch sind, das verrät die ägyptisch-französische Coproduktion nicht sofort. Im Mittelpunkt stehen die skurrilen Erlebnisse der zwei, oftmals bedingt durch die auffällige Begleiterin: Nader ist immer mit von der Partie, hat sogar ein ausdrückliches Mitspracherecht bei der Reise. Auch wenn außer Ali niemand in der Lage ist, aus dem „Mäh“ eine Form von Sinn herauszuhören.
Standards inmitten der Skurrilität
Dass die Geschichte sich unterwegs nicht so wirklich entwickelt, ist dabei zu verschmerzen. Das ist schließlich Standard bei Roadmovies, selbst wenn sie so schräg sind wie hier. Bei Die Ziege heißt es den Moment genießen, wenn wir Bilder aus ganz Ägypten sehen. Es heißt ein bisschen lachen, wenn die zwei in seltsame Situationen geraten. Aber auch das Herz bekommt ein wenig was zu tun, wenn der zufällige Weg der zwei Männer zu einem gemeinsamen Weg wird, man sich unterwegs – auch das ist gepflegter Standard solcher Tripfilme – ein bisschen näherkommt, sich zu schätzen lernt, aus Fremden Freunde werden.
Der Beitrag vom Filmfest Hamburg 2017 ist dann auch eine Mischung aus Beliebigkeit und Skurrilität. Ein Film, der irgendwo zwischen Indie und Mainstream seinen Weg sucht. Nicht alles davon bleibt einem in Erinnerung, gerade im Mittelteil hat Die Ziege so ihre Längen. Aber es ist doch ein sympathischer Film, der da aus Ägypten eine lange Reise in unsere Kinos angetreten hat: Der tragikomische Roadmovie zeigt, wie zwei Männer, die aus verschiedenen Gründen nicht wirklich reinpassen, doch noch ihren Weg finden. Das ist tröstlich, amüsant, am Ende sogar magischer als die drei Steine, die ins Wasser geworfen werden sollen.
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