Die einen tun es früher, die anderen später. Auch bei der Art und Weise gibt es natürlich große Unterschiede. Und doch tun wir es am Ende alle: sterben. Richtig schön ist der Gedanke nicht, weshalb wir ihn ganz gerne mal wirklich weit weg von uns schieben. Wenn überhaupt befassen wir uns vorsorglich mit dem, was danach kommt, schreiben vielleicht Testamente oder bestimmen, was mit unserem Körper passieren soll. Aber was ist eigentlich mit der Zeit davor? Wer denkt über die Phase nach, die dem Sterben unmittelbar vorausgeht?
Die Bewohner von Sun City tun das sicher, zumindest dann und wann. Aus gutem Grund, die Stadt in Arizona hat eine etwas ungewöhnliche Voraussetzung, um sich dort niederzulassen: ein Mindestalter von 55 Jahren. Da gibt es kein Entkommen vor dem Thema. Dass Orte auf dem Land überaltern, weil die Jungen alle wegziehen, das ist natürlich ein Phänomen, das weltweit bekannt ist. Ein Ort, an dem sich jedoch gezielt nur ältere Menschen niederlassen, das hört sich doch ein wenig komisch an. Und nicht unbedingt erstrebenswert.
Eine erstrebenswerte Utopie?
Dabei hat Sun City jede Menge Vorteile: Durch den Wegfall von Einrichtungen wie Schulen spart die Stadt jede Menge Geld. Dadurch sind die Lebenshaltungskosten geringer, weshalb auch weniger betuchte Senioren hier Platz finden, sei es in Heimen, Mietwohnungen oder eigenen Häuschen. Außerdem ist die komplette Stadt so perfekt auf die Bedürfnisse der Bewohner eingestellt, von den breiteren Straßen über medizinische Einrichtungen bis zum Unterhaltungsangebot. Und: Bei einer derart homogenen Gruppe ist die Sache mit dem Zusammenhalt natürlich einfacher. Man ist ja schließlich unter sich.
Gestorben wird Morgen ist aber kein Imagefilm für eine etwas andere Stadt, auch wenn die konsequent scheinende Sonne für unsereins erst einmal utopisch wirkt und so gar kein kritisches Wort zu dem Ort fallen will. Der spannendere Teil sind die Menschen, die Regisseurin Susan Gluth spricht. Die reden zwar auch über Sun City. Sie reden aber vor allem über ihr Leben und das Alter. Ein knappes Dutzend hat sie befragt, über viele Jahre hinweg: Von der ersten Klappe bis zur Weltpremiere vergingen 14 Jahre. Das ist so ungewöhnlich wie das Thema. Und es ist ein Vorteil: Die durchaus intimeren Gespräche zeigen, wie groß das Vertrauensverhältnis während der langen Zeit wurde.
Gespräche voller Leben
Zu ihrem Glück, und damit auch dem des Publikums, haben diese Leute jede Menge zu erzählen. Und sie haben genug Persönlichkeit, um selbst die größten Banalitäten irgendwo spannend zu machen. Mal begleiten wir die 87-jährige Olive zum Arzt, die trotz Führerscheinverlusts und beginnendem Alzheimer ihre gute Laune bewahrt hat. Roger (75) und Kitty (74) sprechen davon, wie gut der Sex im hohen Alter sein kann. Überhaupt zeigt Gestorben wird Morgen, dass das Alter nicht zwangsweise eine Schreckensvision sein kann. Sicher, körperliche Gebrechen sind kaum zu vermeiden, nach und nach fordert das Leben dann doch seinen Tribut. Aber es obliegt doch den einzelnen, was genau sie daraus machen.
Auch wenn die Situation dieser leicht utopischen Gemeinschaft kaum mit der der hiesigen Senioren zu vergleichen ist, auch wenn die Bildung eines solchen künstlichen Ghettos kaum hinterfragt wird: Gestorben wird Morgen ist so oder so eine Aufforderung, sich im Privaten wir im Öffentlichen mit dem Alter auseinanderzusetzen. Mit einer sich verändernden Gesellschaft. Und er macht Mut, der deutsche Dokumentarfilm, dass es durchaus andere, unerprobte Ansätze gibt, dass es sogar richtig Spaß machen kann.
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