Im Leben von Eduard (Pablo Derqui) steht oft die Arbeit an der ersten Stelle, worunter sein Familienleben zu leiden hat. Vor allem das Verhältnis zu seiner Frau Elisa (Andrea Ros) war schon einmal besser. Da geschieht ein Unglück: Als Eduard dringend sein Auto braucht, um zur Arbeit zu kommen, überredet er Elisa, ihr eigenes zu nehmen, obwohl das nicht in Ordnung zu sein scheint. Am Ende ist Elisa tot, ebenso die beiden Kinder, ein schwerer Autounfall hat ihnen das Leben genommen. Eduard weiß später nicht ein noch aus, spielt immer wieder mit dem Gedanken, seiner Familie zu folgen. Doch dann taucht Dr. Everest (Mercedes Sampietro) auf, eine ältere Dame, die ihm die Möglichkeit gibt, in Paralleluniversen zu reisen und so den Unfall zu verhindern.
Wir alle dürften Entscheidungen mir uns herumtragen, die wir gerne rückgängig machen würden. Worte, die wir zurücknehmen möchten, nicht gesagte Worte, die wir doch noch sagen. Taten, von denen wir vorher nicht ahnten, was die Konsequenzen sein würden. Die fallen in der Regel – glücklicherweise – nicht ganz so verheerend aus wie bei der Netflix-Serie Hätte ich dich nicht getroffen. Dennoch dürften die meisten Zuschauer und Zuschauerinnen das Leid von Eduard nachempfinden können, ebenso dessen Wunsch, alles ungeschehen zu machen oder zumindest diesen einen Moment, als er seiner Frau die Schlüssel verweigerte.
Was mach ich nur?
Allzu lange hält sich Hätte ich dich nicht getroffen dabei nicht mit der eigentlichen Trauerarbeit auf. Wer angesichts des Themas darauf spekuliert, es könne um die Frage gehen, wie ein Mensch mit diesen Schuldgefühlen umzugehen lernt: Das tut er nicht. Dafür ist der Part viel zu schnell vorbei, stattdessen geht es gleich darum, die diversen Parallelwelten kennenzulernen. Denn irgendwo da draußen muss ja eine sein, in der er das perfekte Leben findet, in der am Ende alles gut ausgeht.
Was aber natürlich erst einmal nicht funktioniert. Wie bei den beliebten Zeitschleifen-Filmen stolpert Eduard durch eine Welt nach der anderen, versucht hier etwas, dort etwas, nur um am Ende festzustellen: Er macht das alles nur noch schlimmer. Sonderlich viel Entwicklung gibt es nicht dabei. Mit der Zeit steigt der Frust in unserem Reisenden, große Erkenntnisse springen jedoch nicht heraus. Allenfalls die, dass er sich selten für das interessiert, was andere tun. Hätte ich dich nicht getroffen ist damit eine Art Läuterungsgeschichte, jedoch keine besonders gute: Anstatt Schritt für Schritt vorwärtszugehen, springt die Serie wild umher, bleibt dabei auf der Stelle stehen, nur um dann doch noch ein Fazit zu ziehen.
Es passiert, was passieren soll
Vieles ist so auch ziemlich beliebig, willkürlich, die Parallelwelten unterscheiden sich in Details, ohne dass daraus eine fortlaufende Geschichte würde. Man hätte das beliebig um weitere Folgen aufblasen können oder andere streichen, einen Unterschied hätte das nicht gemacht. Es ist noch nicht einmal so, dass Eduard oder die anderen so wahnsinnig sympathisch wären, dass man ihnen allein deshalb schon über mehrere Welten hinweg folgen müsste. Meistens sind sie einem egal, manchmal nerven sie auch einfach. In Kombination mit dem Hang zum Kitsch, den Hätte ich dich nicht getroffen zeigt, ist das keine besonders einladende Situation.
Nur dann und wann zeigt die von Sergi Belbel entworfene Serie, dass aus dem Thema deutlich mehr hätte werden können. Interessant sind beispielsweise die moralischen Aspekte, die zwischenzeitlich aufgeworfen werden – ein bisschen vergleichbar zu Steins;Gate und Matrjoschka. Und auch die Frage, inwieweit wir unser Leben nach anderen ausrichten bzw. ausrichten sollten, ist wert, darüber nachgedacht zu werden. Doch das ist insgesamt zu wenig für zehn Folgen, auch die späteren Ambitionen bei der Geschichte funktionieren nicht so recht. Der Twist ist viel zu früh als solcher zu erkennen, was hier komplex sein soll, ist oft nur umständlich. Dafür gibt es einen tatsächlich rührenden Schluss, der zumindest ein wenig versöhnlich stimmt.
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