Berühmt sein? Von Leuten angehimmelt werden? Sich im Idealfall dabei auch noch künstlerisch ausdrücken? Doch, das ist ein Traum, den viele von uns in sich tragen, wenn auch manchmal versteckt. Es ist ein Traum, der auch sehr schnell vorbei sein kann. Davon können auch die vielen Kinder und Jugendliche ein Lied singen, die sich jedes Jahr voller Hoffnung aufmachen, um Teil des jungen Ensembles am Friedrichstadt-Palast in Berlin zu werden. Letzteres platzt jetzt schon aus allen Nähten, mit 280 Teilnehmern aus über 20 Ländern ist es das größte Kinder- und Jugendensemble Europas. Und doch wollen jährlich rund 500 weitere darin aufgenommen werden. Dass das mit vielen leeren Gesichtern enden muss, dürfte die wenigsten überraschen.
Dokumentarfilmerin Alice Agneskirchner (Auf der Jagd – Wem gehört die Natur?) stellt uns in ihrem neuesten Werk sechs junge Menschen vor, die das umkämpfte Aufnahmeverfahren geschafft haben: Nick, Luna, Alex, Maja, Amira Pauletta und Oskar. Deren Alter schwankt zwischen 9 und 16 Jahren, auch bei der Persönlichkeit gibt es große Unterschiede. So ist Maja sehr schüchtern, weiß auf die Frage, wo sie sich in einigen Jahren sieht, keine wirkliche Antwort. Oskar hingegen genießt die Aufmerksamkeit, betreibt auch einen erstaunlich erfolgreichen YouTube-Vlog, in dem er Make-up-Tipps zum Besten gibt. Noch vor der Schule.
Hinter den Bühnen
Lampenfieber lebt dann auch von der Unterschiedlichkeit der jungen Protagonisten und Protagonistinnen, deren einzige Gemeinsamkeit die ist, dass wir sie ein Jahr begleiten, vom Casting bis zur großen Premiere ihres Stückes. Der Schwerpunkt des Dokumentarfilms liegt dabei auf den künstlerischen Anstrengungen und den Erfahrungen während der Vorbereitungszeit. Agneskirchner lässt dabei jedoch regelmäßig den Blick schweifen und gibt uns kleine Einblicke in das Leben der sechs, nimmt uns mit zu deren Familien, erzählt Vorgeschichten.
Das ist im Grunde keine bahnbrechend neue Idee, vielmehr Standard bei solchen Dokumentationen. Allgemein ist Lampenfieber ein recht konventionelles Werk, das sich weder von der Bildsprache noch vom Aufbau her irgendwie hervorheben würde. Und doch tun eben diese kurzen privaten Ausflüge der Geschichte sehr gut, füllen sie erst mit Leben. So nett es ist, einmal hinter die Kulissen der prestigeträchtigen Bühne zu schauen und sich damit auseinanderzusetzen, was es heißt, so jung schon unter Druck gesetzt zu werden, es ist doch eher die Persönlichkeit der sechs, die den Film auszeichnen. Die einen dazu bringen, sich überhaupt für das Thema zu interessieren.
Geschichten aus dem Leben junger Menschen
Teile dieser Hintergrundgeschichten sind aufbauend, andere hingegen traurig. Wenn mit dem Tod der Mutter gerungen wird, Oskar sich gegen hasserfüllte Sprüche aus dem Internet wehrt oder auch Migrationshintergründe irgendwann ein Thema sind, dann wird Lampenfieber auch zu einem Querschnitt durch die Herausforderungen, die ein junges Leben mit sich bringt. Bei solchen ernsten Momenten besteht natürlich immer die Gefahr, dass Filmemacher sie ausnutzen wollen, mit dramatischer Musik zu echten Tränendrüsenangriffen umfunktionieren.
Glücklicherweise hält sich Agneskirchner dabei aber zurück. Lampenfieber, das auf der Berlinale 2019 Weltpremiere feierte, ist einfühlsam, ohne kitschig zu werden. Schafft immer wieder die Kehrtwende, bevor die Einblicke zu voyeuristisch werden. Was bei all dem Individualismus fehlt, ist wie es eigentlich innerhalb des riesigen Ensembles so zugeht. Was bedeutet es, mit so vielen Menschen zu tun zu haben, die einerseits Gleichgesinnte, letzten Endes aber auch Konkurrenten sind? Und was können die angehenden Künstler daraus für ihr Leben abseits der Bühne ziehen? Solche größeren Kontexte oder Fragen fehlen hier, der Film bleibt lieber im Kleinen, beim Individuellen. Wirkliche Erkenntnisse bleiben nach dem Film daher nicht zurück, doch aber ein irgendwie schöner Ausblick auf eine Zukunft, die gerade noch am Entstehen ist.
(Anzeige)