Auch wenn man dem Treiben von Netflix tendenziell skeptisch gegenübersteht, zumindest als Animationsfan ist der Streaminganbieter eine echte Bereicherung. Gerade Freunde etwas anderer Formen von Animation, die eben nicht einfach den x-ten Aufguss des CGI-Blockbuster-Schemas wollen, dürfen sich hier immer wieder auf ganz besondere Titel freuen. Da wäre die wunderbare Kinderbuchadaption Hilda, das stilistisch variantenreiche Die Abenteuer des Captain Underpants, die Heavy-Metal-Office-Komödie Aggretsuko oder auch die stylischen Alpträume von Devilman Crybaby.
Und nun eben auch Love, Death & Robots, das schon im Vorfeld wahnsinnig gehypt wurde, da es erstens völlig durchgeknallt zu werden versprach, und auch etwas für Erwachsene. Über den letzteren Punkt kann man sich streiten. Die von Tim Miller (Deadpool) angestoßene Serie spart nicht mit Kraftausdrücken, Gewalt oder Nacktszenen. Doch es ist eben eine sehr eingeschränkte Ansicht davon, was erwachsen genau bedeutet. Wer sich beispielsweise zum Nachdenken anregende Geschichten erhofft, was angesichts des hier häufig vertretenen Science-Fiction-Genres naheliegend wäre: Fehlanzeige. Anspruchsvoll ist von den 18 Einzelfolgen der Anthologie, die fast alle auf zuvor veröffentlichten Kurzgeschichten basieren, praktisch nichts. Vieles richtet sich eher an pubertierende Jungs.
So cool, dass es weh tut
Der Auftakt Sonnie’s Edge ist so ein Beispiel. Der Kurzfilm, der so etwas wie die düstere Fassung von Pokémon ist, versucht so angestrengt cool und eben „edgy“ zu sein, dass man irgendwann nur noch mit den Augen rollen möchte. Da helfen auch die beeindruckende Computergrafik und die billigen Twists nicht mehr. Solche inhaltlichen Ausfälle gibt es einige, zu viele eigentlich. Recht langweilig sind etwa die Adaptionen der Geschichten von Marko Kloos. Lucky 13 erzählt von der Beziehung einer Pilotin zu ihrem Schiff, in Shape-Shifters werden Werwölfe im Afghanistan-Krieg eingesetzt – eine schön trashige Idee, die sich selbst aber völlig ernst nimmt.
Besser sind da schon die Folgen, die genau wissen, dass sie absurd sind. Vor allem die drei Adaptionen von John Scalzi sorgen mit ihrer gut gelaunten Absurdität für frischen Wind in der inhaltlich abgestandenen 08/15-Ansammlung alter Nicht-Ideen. Three Robots erzählt die zwar banale, aber doch eben amüsante Geschichte von drei Robotern, die bei einem Ausflug das Schicksal der Menschheit Revue passieren lässt. When The Yogurt Took Over lässt uns an einer etwas anderen Welteroberung teilhaben. Alternate Histories wiederum zeigt, was passiert wäre, wäre Hitler als junger Mensch ermordet worden.
Es lebe der Unsinn
Am meisten Spaß machen dann auch die Abschnitte, die sich entweder ganz dem Blödsinn hingeben oder erst gar nicht versuchen, eine Geschichte zu erzählen. The Witness beispielsweise lässt einen Mörder eine ungeliebte Zeugin verfolgen, was zu einem atemberaubenden Comic-Trip à la Spider-Man: A New Universe wird. Einen nennenswerten Inhalt gibt es dabei nicht, dafür aber jede Menge Tempo und Rauschzustände. Einer der interessantesten Titel ist hingegen ganz ruhig und zeigt als einer der wenigen, dass Science-Fiction doch mehr ist, als mit riesigen Wummen durch die Welt zu stapfen: In Zima Blue erfahren wir zusammen mit einer Journalistin die verblüffende Geschichte eines Künstlers.
Aber auch wenn Love, Death & Robots inhaltlich im Großen und Ganzen enttäuschend ist, so darf man doch dankbar dafür sein, dass Netflix das Experiment eingegangen ist. Denn zumindest visuell zeigt die Anthologie, was visuell heute im Bereich Animation möglich ist. Die meisten versteifen sich zwar schon ein wenig auf realistische CGI-Grafiken. Die sind dafür von einer beeindruckenden Qualität. Und dazwischen finden sich auch immer wieder optische Experimente oder andere Designformen, welche für die notwendige Abwechslung sorgen. Manches orientiert sich an europäischen Comics, zwischendrin standen Animes Pate, zwischen nüchtern und durchgeknallt ist alles möglich. Für Animationsfans ist das hier daher ein Muss, der Rest kann zumindest seinen Spaß haben – sofern man sich nicht an besagten pubertären Tendenzen und der zu eng gefassten Zielgruppe stört.
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