Es war ein so schöner Traum, den Malu (Maria Casadevall) da hatte: Gemeinsam mit ihrem Mann eine Bar in Rio de Janeiro aufmachen. Doch aus dem Traum wird nichts, denn ihr Göttergatte ist kurze Zeit später bereits verschwunden, mit ihm das komplette Geld. Die Verzweiflung ist groß bei Malu, bis sie eine neue Idee hat. Warum nicht zusammen mit Adélia (Pathy Dejesus) einen Club eröffnen, bei dem nicht nur der beste Alkohol ausgeschenkt wird, sondern auch aufregende Musiker auftreten? Schließlich schreiben wir das Jahr 1959, der Boss Nova schickt sich an, die Herzen der Menschen zu erobern. Die Umsetzung stellt sich jedoch als ziemlich knifflig heraus, denn keiner traut den Frauen zu, etwas auf die Beine zu stellen.
„Eine Frau muss viel mehr sein als nur schön. Sie muss etwas Trauriges an sich haben, das einen zum Weinen bringt. Sie muss Sehnsucht ausstrahlen, den Hauch eines gebrochenen Herzens. Die besondere Schönheit, die von dem Kummer zeugt, eine Frau zu sein.“
Manchmal reicht tatsächlich die erste Minute einer Serie, um eine ziemlich genaue Vorstellung davon zu bekommen, was einen erwartet. Bei Most Beautiful Thing, auch als Girls from Ipanema bekannt, ist es der obige Prolog. Der verrät zwar nichts über die Handlung der Netflix-Produktion. Aber die ist auch zu vernachlässigen. Stattdessen geht es um Frauen, die schön sind, denen aber übel mitgespielt wird, und die im Laufe der Zeit lernen, auf eigenen Füßen zu stehen.
Selbst ist die Frau!
Das ist als Thema nicht unsympathisch, trotz des 50er-Jahre-Settings auch nach wie vor aktuell. Schön, dass sich Adélia als Analphabetin herausstellt, ist heute nicht mehr ganz so leicht vorzustellen. Dass sie sich aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe mit Rassismus auseinandersetzen muss hingegen schon. Und auch der geringe Respekt, der den Frauen entgegenschlägt, als sie ihren Club eröffnen wollen, dürfte nach wie vor ein weit verbreitetes Phänomen sein. Da will man doch schon fast aus Prinzip den Damen die Daumen drücken, dass sie sich erfolgreich gegen die Unterdrückung wehren.
Gleichzeitig ist das aber auch eines der Probleme von Most Beautiful Thing: Es ist zu einseitig. Ständig passiert etwas, ständig werden die Frauen zu Opfern gemacht, entweder von Männern oder äußeren Umständen. Das soll Sympathien und Mitleid wecken, schon klar. Es regt aber eher dazu an, kräftig mit den Augen zu rollen oder irgendwann einfach abzuschalten. Die Häufung von Katastrophen in Verbindung mit den sehr genügsamen Charakterisierungen – die Schwarzweißmalerei hat Kinderfilmniveau – trägt nicht dazu bei, dass man der Serie die Geschichte abnimmt. Immerhin gibt es auch böse Frauen, eine herablassende Schwiegermutter zum Beispiel. Aber das macht die Sache auch nicht besser.
Tragisch, tragisch
Vielmehr offenbart es eine Schwäche des Drehbuchteams: Seine einzige Vorstellung der Geschichtenerzählung liegt darin, abwechselnd auf die Protagonistinnen einzuprügeln – teilweise wortwörtlich –, nur damit die danach wieder aufstehen. Das ist nicht nur übertrieben. Es ist auch ziemlich langweilig. Denn was vermutlich aufbauend und inspirierend sein sollte, wenn Frauen in den 1950ern ihren Mann stehen, ist eine billig zusammengeschriebene Seifenoper, bei der Pathos Esprit ersetzt. Vor gegen Ende hin, als sich die Ereignisse wirklich böse überschlagen.
Ärgerlich ist zudem, wie wenig Most Beautiful Thing aus dem eigenen Setting macht. Einen Club aufzumachen, in dem junge Vertreter einer neuen Musikrichtung auftreten, das sollte eigentlich aufregend sein und ein bisschen Aufbruchstimmung vermitteln. Ist aber nicht. Der Club ist bieder, hat so gar nichts von einem Ort des Neuanfangs oder gar Rebellion. Zwar wird behauptet, dass hier die unterschiedlichsten Leute und Stile zusammenkommen. Zu fühlen ist davon aber nichts. Stattdessen verschwimmt hier alles so einem schick zurechtgemachten Brei ohne Kontraste und Kanten, der nicht gerade zu einem wiederholten Besuch einlädt.
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