Für Rocca (Luna Maxeiner) stehen die Zeichen auf Neuanfang. Da ihr Vater (Volker Bruch) mal wieder auf Weltraummission ist, soll die 11-Jährige zu ihrer Großmutter Dodo (Barbara Sukowa) ziehen. Die hält wenig davon, dass da plötzlich ein Kind in ihrem Haus herumtobt, zumal sie ohnehin keinen Kontakt zu dem Mädchen hatte. Zu groß ist die Trauer darüber, dass ihre eigene Tochter bei der Geburt von Rocca verstorben ist. Aber die Zeit der Zweisamkeit ist ohnehin kurz, da sich Dodo kurze Zeit später schon im Krankenhaus wiederfindet. Nun muss sich ihre Enkelin also alleine durchschlagen, auch an der Schule, mit der sie so gar keine Erfahrungen hat. Glücklicherweise findet die aufgeschlossene Rocca aber schnell Freunde, die ihr zur Seite stehen – auch als plötzlich das Jugendamt klingelt.
Um den offensichtlichsten Vorwurf gleich vorwegzunehmen: Natürlich orientiert sich Rocca verändert die Welt stark an Astrid Lindgrens Klassiker Pippi Langstrumpf. So stark, dass der Film zumindest bei einem erwachsenen Publikum schnell den Ruf einer dreisten Kopie innehaben wird. Da wäre ein junges, selbstbewusstes Mädchen, das allein lebt, weil die Mutter tot und der Vater weit weg ist – aus einer Südseeinsel wurde die Raumstation. Ein kleines Eichhörnchen ersetzt das Äffchen Herr Nilsson. Auch für ein Geschwisterpaar, das zu den besten Freunden von Rocca wird, ist noch Platz. Und das sind nur die oberflächlichen Gemeinsamkeiten.
Themen aus dem traurigen Leben gegriffen
Glücklicherweise hatte Drehbuchautorin Hilly Martinek (Honig im Kopf) aber noch mehr vor bei ihrem neuesten Film, als einen Klassiker zeitgerecht aufzuarbeiten. Anders als beim Vorbild, das in erster Linie ein aufregendes, leicht anarchisches Abenteuer für Kinder sein sollte, dürfen Letztere hier jede Menge mit für ihren weiteren Lebensweg einpacken. Neben dem immer wieder gern verwendeten Themen soziale Medien und Mobbing – zwei aktuelle wie akute Dauerbrenner von Jugendfilmen –, nimmt sich die Autorin des unerwarteten Komplexes Obdachlosigkeit an. Das ist für einen solchen Film schon sehr speziell, aber doch schlüssig aufbereitet: Rocca verändert die Welt stellt die Frage, wie wir mit anderen Menschen umgehen und wie wir als Gesellschaft funktionieren wollen.
Für die Regie fand das Projekt die passende Frau: Katja Benrath machte zuvor schon mit Watu Wote auf sich aufmerksam, sammelte diverse Preise ein, war auf zahlreichen Festivals zu Gast. Bei ihrem gefeierten Kurzfilm erzählt sie nach einer wahren Begebenheit die Geschichte einer Busfahrt, die lebensbedrohlich endet und am Ende ein Symbol für Solidarität wurde. Dies fordert Benrath nun auch in Rocca verändert die Welt ein. Und das beginnt im Kleinen, beginnt bei den Kleinen: Der Kinderfilm ermuntert seine jungen Zuschauer und Zuschauerinnen, aufeinander zuzugehen, sich gegenseitig zu helfen, eigene Schwächen zu überwinden.
Lasst uns auf Nummer sicher gehen …
Das geht mit einer Reihe schöner Momente einher, gerade auch bei einem von Rocca erfundenen Spiel, das in der Schule zum Einsatz kommt. Aber auch solchen bei denen kräftig der Holzhammer geschwungen wird. Auch das zeigte Benrath schon bei Watu Wote, Subtilität ist keine besonders hervorstechende Eigenschaft der jungen Filmemacherin. Offensichtlich wollte sie bei dem jungen Publikum sichergehen, dass alle verstehen, worauf sie hinauswill. Und das bedeutet Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung. An anderen Stellen hat sie es hingegen recht eilig, manche Entwicklung geschieht in Rocca verändert die Welt doch recht spontan, Widersprüche sind ebenfalls dabei.
Ob Kinderfilme wirklich so vereinfacht ausfallen müssen, darüber ließe sich mal wieder streiten. Doch selbst mit diesen Schwächen ist das Debüt von Benrath sympathisch. Neben den grundsätzlich lobenswerten Aussagen des Films, mit denen man gar nicht früh genug in Kontakt kommen kann, ist es gerade die Besetzung, die jede Menge Spaß macht. Ob nun Barbara Sukowa (Hannah Arendt) als grimmige Oma, Fahri Yardim (Whatever Happens) in der Rolle des traumatisierten Obdachlosen oder Cordula Stratmann als Dame vom Jugendamt, sie alle machen ihre Arbeit sehr vorzeigbar. Und dann wäre da noch Luna Marie Maxeiner, die eine echte Entdeckung ist und mit ihrer Energie und ansteckenden guten Laune so manchen Drehbuchdreher fast vergessen macht.
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