Mark Hogenkamp (Steve Carell) war schon vorher in seiner kleinen Stadt bekannt, damals als Maler. Doch das war einmal. Jetzt ist er eher eine traurige Berühmtheit. Denn er kann sich an nichts von früher erinnern, kann auch nicht mehr malen. Schuld waren eine Gruppe von Hooligans, die ihn ins Koma geprügelt haben. Seither meidet er die meisten Menschen und zieht die Gesellschaft von Puppen vor. Mit denen spielt er Geschichten nach, zieht sich immer weiter in seine eigene Welt zurück. Bis eines Tages Nicol (Leslie Mann) im Haus gegenüber einzieht und seine Gefühlswelt kräftig durcheinanderwirbelt. Und das ist nicht der einzige Anlass für Unruhe: Der Gerichtsprozess naht, an dem Mark gegen die Hooligans aussagen soll. Doch will er ihnen wirklich noch einmal gegenübertreten?
Wenn ein erwachsener Mann mit Puppen spielt, dann muss ja etwas bei ihm nicht stimmen. Stimmt. Zumindest bei Mark Hogenkamp ist das so, sowohl der reale, der 2000 von fünf Männern fast totgeprügelt wurde, wie auch die Version, die hier daraus wurde. Gemeinsam ist beiden, dass sie nach ihrem Trauma ein belgisches Dorf zur Zeit des Zweiten Weltkriegs als Miniaturfassung erbauten und dieses mit Puppen bevölkern. Puppen, die realen Personen aus dem Leben von Hogenkamp nachempfunden sind. Eine Traumaaufbereitung, bei der das wahre und das fiktive Leben ineinander übergehen. Bekannt wurde der Fall, als ein Fotograf auf die Arbeiten aufmerksam wurde. Später folgte ein Dokumentarfilm.
Ein massenuntauglicher Film für die Massen
Und nun eben auch die Hollywood-Variante. Die stammt von niemand Geringerem als Robert Zemeckis, der früher dank Filmen wie Zurück in die Zukunft, Falsches Spiel mit Roger Rabbit und Forrest Gump zu den ganz Großen seines Faches zählte. Zuletzt war der Veteran jedoch etwas glücklos, lediglich das Alkoholikerdrama Flight war an den Kinokassen ein (relativer) Erfolg. Seine Adaption der Geschichte war sogar ein komplettes Desaster in den USA. Dass sich daran hierzulande etwas ändert, ist zu bezweifeln. Dafür sind Film und Inhalt doch zu eigenartig.
Dabei ist das Schicksal von Hogenkamp tatsächlich eines, das es sich zu erzählen lohnt. Ein Mann, dem seine Vergangenheit geraubt wurde, schafft eine eigene mit Hilfe von Spielzeug. Das ist überaus tragisch, erschreckend sogar, eine Geschichte voller Abgründe aber auch voller Fragen zu Identität. In Willkommen in Marwen bleibt von beidem nicht so wahnsinnig viel. Anstatt sich dem Horror zu stellen, wird bei Zemeckis eher die Light-Variante draus. So als wollte er die Massen ansprechen, ohne dabei zu merken, dass das Thema überhaupt nicht massentauglich ist.
Ist doch nicht so schlimm
Manchmal ist es sogar ein wenig verstörend, wie aus einer schwierigen Verarbeitung eine nette kleine Kuriosität wird. So als würde der Film seine eigene Figur nicht ernst nehmen, als hätte Willkommen in Marwen viel lieber eine Komödie sein wollen. Komisch ist der Film dann auch immer wieder. Vor allem die Fantasiesequenzen, wenn die Puppen zum Leben erwachen – leider in Form von CGI und nicht dem naheliegenden Stop-Motion –, sind oft herrlich schräg bis trashig. So wie kleine Jungen den größten Quatsch spielen und sich von nichts und niemandem stören lassen.
Ob das dem Thema gerecht wird, darüber darf man dann geteilter Meinung sein. Auch, ob das Nebeneinander von traurigen und albernen Szenen die beste Idee war. Wirkungslos sind erstere nicht, auch weil Steve Carell (Beautiful Boy) einen doch rührenden Kauz spielt, der so gar nichts von der Welt da draußen versteht. Einer, der quasi automatisch Beschützerinstinkte weckt, die aber ohne Auswirkungen an ihm abprallen. Denn nicht einmal dafür ist er realistisch genug. Das gilt für viele Figuren hier, menschliche wie fabrizierte, die Aussagekraft ist vergleichbar gering, zumal es zu keiner nennenswerten Entwicklung kommt. Das ist immer noch unterhaltsam und emotional genug, um sich auf diese Puppenwelt einzulassen. Es bleibt nur das Gefühl, dass diese Geschichte doch viel mehr hätte sein können.
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