Bonding Netflix
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Bonding – Staffel 1

Bonding Netflix
„Bonding – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 24. April 2019 (Netflix)

Es ist schon ziemlich lange her, dass sich Tiff (Zoe Levin) und Pete (Brendan Scannell) das letzte Mal gesehen haben. Dabei waren sie früher einmal sehr gute Freunde gewesen, damals in der High School. Ihre anschließenden Lebenswege könnten aber kaum unterschiedlicher sein. Tagsüber sitzt Tiff in Psychologiekursen, nachts jedoch verwandelt sie sich in eine Domina, die anderen ihre ungewöhnlichsten Wünsche erfüllt. Pete wiederum träumt von einer Karriere als Comedian, wenn er nicht gerade daran scheitert, eine homosexuelle Beziehung zu suchen. Geld hat er natürlich auch keins, weshalb er Tiffs Angebot annimmt, als ihr Assistent zu arbeiten – was beide vor ziemliche Herausforderungen stellt.

Der Titel ist ebenso clever wie gemein: Bonding, da dürften viele vermutlich daran denken, wie sich Menschen näherkommen, eine Verbindung aufbauen. Das tun sie hier natürlich auch. Gleichzeitig spielt die Netflix-Serie damit auf eine der Hauptaktivitäten von Tiff an, die ihr Geld damit verdient, andere Leute zu fesseln. Das hört sich nach einem ziemlichen Widerspruch an, freundliche Zärtlichkeit auf der einen Seite, maskierte Distanz auf der anderen. Und doch passt beides gut zusammen, wenn die Geschichte einer Domina und ihres Assistenten beiden Lesarten gerecht wird.

Abweichungen mit Humor
Eine reine Sex-Serie ist Bonding nicht. Thematisiert werden Lust und Befriedigung natürlich schon. Und fast jeder, der hier auftaucht, hat seine ganz eigenen Vorstellungen dafür, wie er – oder sie – seinen sexuellen Höhepunkt erreicht. Gezeigt wird jedoch relativ wenig davon, die Serie gibt sich da etwas zugeknöpfter, als man hätte erwarten können. Dafür geht Rightor Doyle, der die Serie entwickelte, Regie führte und das Drehbuch schrieb, mit viel Humor an die Sache. So viel, dass sich manch einer vielleicht hierbei missverstanden oder falsch repräsentiert fühlt – vor allem Zuschauer, die selbst aus der Bondage- oder SM-Ecke kommen.

Dabei hat Doyle gar nicht vor, sich über die Figuren lustig zu machen. Hinter der teils schrillen Fassade, wenn mal Leder, mal Pinguinkostüme zum Einsatz kommen, stecken Menschen, die auf die eine oder andere Weise verloren sind und sich selbst suchen. Das betrifft in erster Linie Tiff und Pete, die im Laufe der Jahre doch einiges an emotionalem Ballast angesammelt haben, mit dem sie erst umzugehen lernen müssen. Aber auch ein Paar, das immer wieder Dienste der beiden in Anspruch nimmt, hat erstaunlich bewegende Auftritte, wenn es lernen muss, verschiedene Wünsche zu erfüllen, ohne sich dabei selbst zu verlieren.

Wo ist die Zeit hin?
Richtig in die Tiefe geht das alles nicht, dafür ist überhaupt nicht genügend Zeit. Gerade einmal sieben Folgen à rund 15 Minuten hat Bonding, was an vielen Stellen nur reicht, um ein bisschen an der Oberfläche zu kratzen. Petes anfängliche Schwierigkeiten mit homosexuellen Beziehungen erledigen sich beispielsweise erstaunlich schnell, als er Josh (Theo Stockman) kennenlernt. Entwicklungen erfolgen bei ihm und auch den anderen sehr spontan, zudem auf nicht immer originellen Wegen. Da wird dann doch gern mal die Abkürzung genommen, um ans Ziel zu kommen. Wichtige Themen wie Grenzüberschreitungen und Missbrauch werden aufgeworfen und parallel schon wieder abgehandelt.

Und doch ist Bonding ein kleiner Geheimtipp, der trotz seines kuriosen Szenarios sehr menschlich und warmherzig ist. Doyle nähert sich seinen Figuren mit viel Sympathie und Verständnis, nimmt eine sehr ungewöhnliche Konstellation, um ganz universelle Themen anzusprechen. Die Serie handelt von Menschen, die sich selbst suchen. Die nach einem Weg suchen, auch sie selbst zu sein. Und auch wenn es sicher schön gewesen wäre, das Ganze etwas länger und ausführlicher zu begleiten, auch der Glaubwürdigkeit wegen, es tut dann doch irgendwie gut, wie sich die Serie dafür einsetzt, sich selbst zu verwirklichen. Dass es eben völlig in Ordnung ist, eigenartige Kleidung zu tragen, sonderbare Vorlieben zu pflegen oder sich irgendwie anders zu verhalten. Das Glück kann viele Formen annehmen, auf unerwarteten Abzweigungen auf einen warten – auch wenn es manchmal erst etwas weh tun muss, damit man es findet.



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Die Situation eines schwulen Möchtegern-Comedians, der als Assistent bei einer Domina anfängt, die ist sicher ungewöhnlich. „Bonding“ hat damit auch jede Menge Spaß, ist letzten Endes aber eine warmherzige Serie über Menschen auf der (Selbst-)Suche und ein schönes Plädoyer dafür, man selbst zu sein – selbst wenn der Weg zur Erkenntnis ein bisschen kurz ist.
7
von 10