Chambers Netflix
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Chambers – Staffel 1

Chambers Netflix
„Chambers – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 26. April 2019 (Netflix)

Es hätte ein ganz besonderer Tag für Sasha Yazzie (Sivan Alyra Rose) werden sollen. Das wurde er dann auch, jedoch ganz anders als gedacht. Anstatt ihre Jungfräulichkeit mit ihrem Freund TJ (Griffin Powell-Arcand) zu verlieren, hätte sie fast ihr Leben verloren. Doch Glück im Unglück: Die parallel gestorbene Becky Lefevre (Lilliya Reid) hatte noch ein Herz übrig, um das stehengebliebene von Sasha zu ersetzen. Die wird zwar in Zukunft jede Menge Tabletten nehmen müssen, darf ansonsten aber auf ein besseres Leben hoffen – schließlich wird sie von Beckys Eltern Nancy (Uma Thurman) und Ben (Tony Goldwyn) bei sich aufgenommen, die auf diese Weise Kontakt zu ihrer verstorbenen Tochter bewahren wollen. Und das ist nicht der einzige Grund, weshalb Sasha das Gefühl hat, das Leben einer anderen zu führen …

Zwar bemüht sich Netflix sehr offensichtlich darum, ein möglichst breit aufgestelltes Programm zusammenzustellen, damit auch ja jeder beim Streamingdienst klebenbleibt. Zwei Sparten scheinen aber besonders gut zu laufen: Teeniesachen und Horror. Kein Wunder also, wenn in Zukunft gern auch auf eine Kombination von beidem gesetzt wird. Kürzlich startete die Uni-Werwolf-Serie The Order, von der bereits eine zweite Staffel in Auftrag gegeben wurde. Nun folgt mit Chambers eine zweite Serie, die typische Elemente und Themen des Horrorgenres mit jeder Menge jugendlichem Drama verknüpft. Denn auch wenn Uma Thurman als einzige prominente Darstellerin in den Vordergrund des Marketings gestellt wird, Hauptfigur ist jemand anderes.

Horror in guter Gesellschaft
Genauer sind es die beiden Jugendlichen, die durch ein gemeinsames Herz miteinander verbunden, sich die Aufmerksamkeit des Publikums teilen. Das ist keine ganz neue Idee, im Horrorbereich gab es immer wieder Geschichten von Menschen, die durch die Transplantation von Organen übernatürliche Beeinträchtigungen erfahren mussten. In The Eye beispielsweise führte eine verpflanzte Hornhaut zu unheimlichen Visionen. Tokyo Ghoul stellt uns einen Teenager vor, der anschließend zu einem Halb-Ghul wird, der Menschenfleisch essen muss. Worauf er wenig Lust hat, verständlicherweise.

Chambers kombiniert das mit jeder Menge Mystery, wenn hier ein Rätsel nach dem anderen gelüftet werden muss. Das dringendste: Wie und warum ist Becky eigentlich gestorben? Das verleiht der Serie anfangs einen durchaus reizvollen Krimicharakter, wenn Sasha anfängt, auf eigene Faust zu ermitteln, was genau vorgefallen ist. Umso mehr, da die Lefevres von Anfang an nicht gerade vertrauenserweckend auftreten. Dass die beiden nicht die ganze Wahrheit erzählen, ist offensichtlich, zumindest zu Beginn ist die Neugierde auch hoch, was mit dieser Familie nicht stimmt. Zusammen mit den folkloristischen Elementen, die etwas an Birds of Passage erinnern, und den schönen, etwas unwirklichen Wüsten-Aufnahmen ist der Einstieg überaus vielversprechend.

Ich mach, was ich will
Im Laufe der zehn Folgen schwächt sich der gute Ersteindruck jedoch zunehmend ab, wenn immer mehr Mängel deutlich werden. Dies betrifft beispielsweise die Figuren. Beispielsweise konnten sich die acht Drehbuchautoren und -autorinnen offensichtlich nicht entscheiden, welchen Charakter sie den Figuren geben sollten. Vielleicht vergaßen sie aber auch, sich untereinander abzusprechen. So oder so schwanken die Persönlichkeiten in einem irritierenden Maße, auch bei den Dialogen wird so sehr hin und her gesprungen, dass einem schon schwindlig werden kann. In einem auffälligen, jedoch wenig lobenswerten Kontrast hierzu tritt Hauptdarstellerin Sivan Alyra Rose äußerst gleichmäßig und hölzern auf. Die teils übertriebenen emotionalen Sätze und Vorgeschichten spiegeln sich nicht in ihrer Schauspielerei wider. Oft wirkt es so, als würde die Puerto-Ricanerin von einem Teleprompter ablesen und selbst nicht verstehen, worum es in den Texten geht.

Verübeln könnte man ihr das nicht, denn sonderlich viel Sinn ergibt Chambers nicht, nicht einmal im Horrorumfeld, das ja grundsätzlich gern Logik gegen Spannung eintauscht. Nur gibt es hier auch Letztere nicht. Die anfängliche Neugierde wird nur zum Teil befriedigt, da vieles hier nicht zu Ende erzählt wird. An anderen Stellen lässt sich die Serie hingegen ewig Zeit. Selbst wenn das Publikum längst verstanden hat, was Sache ist, die Figuren laufen weiterhin wie kopflose Hühner durch die Gegend, auf der Suche nach dem eigenen Verstand. Vor allem das Finale wird auf diese Weise zu einer Zumutung, die gleichzeitig durch die umständliche Erzählung langweilt und allenfalls unfreiwillig unterhält, wenn eine lächerliche Szene und Wendung nach der anderen vorgesetzt wird, die sich selbst aber unverhältnismäßig ernst nimmt. Schade um das schöne Setting und einen Cast, der im Geist der Diversifizierung und Minderheitenrepräsentierung ausgewählt wurde. Trotz der diversen offenen Handlungsstränge, die eine zweite Staffel dringend voraussetzen: Lust auf eine Fortsetzung macht die erste nicht gerade.



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„Chambers“ ist ein unrühmliches Beispiel dafür, wie eine Serie trotz diverser vielversprechender Einzelteile in der Summe misslungen ist. Das Wüstensetting ist schön, auch die folkloristischen Elemente sind interessant. Die Geschichte um zwei Jugendliche, die durch eine Herztransplantation miteinander verbunden sind, schwankt gerade in der zweiten Hälfte zwischen unfreiwilliger Komik und Langeweile, wenn das Tempo hinten und vorne nicht stimmt. Und auch die Dialoge und Darstellungen sind teils äußerst dürftig.
4
von 10