Dina (Rebecca Emilie Sattrup) ist mit einer sehr seltenen und mächtigen Gabe geboren worden: Beim Blick auf andere Menschen kann sie deren Schwächen und Sünden erkennen, für die sie sich schämen. Aber beherrscht sie noch andere Formen der Magie? Davon ist zumindest Sezuan (Dejan Cukic) überzeugt, den sie eines Tages kennenlernt und der sich als ihr Vater ausgibt. Und gebrauchen könnte sie die Fähigkeiten gut, trotz der Warnungen ihrer Mutter. Schließlich zwingt derzeit der fiese Drakan (Mikkel Arndt) die Menschen gegen ihren Willen dazu, an der Befestigung der Sagisburg zu arbeiten. Unter den Gefangenen: Dinas Bruder Gavin (Allan Hyde) und der legitime Thronfolger Nicodemus (Jakob Oftebro).
Dänemark ist als das Land spannender Krimis (Erbarmen) und abgründiger Dramen (Das Fest) bekannt. Fantasy-Abenteuer hingegen? Daran dürften nur die wenigsten denken, wenn von den Filmen unserer nordischen Nachbarn die Rede ist. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regeln. Und diese Ausnahmen gehen fast ausnahmslos auf Lene Kaaberbøl zurück, eine der bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen Dänemarks. Unter anderem stammen die Romane rund um die Wildhexe von ihr, deren Adaption letztes Jahr in unsere Kinos kam. Aber auch Dina und ihre eigentümliche Fähigkeit gehen auf die Schriftstellerin zurück.
Es lebe die Vergangenheit
Auch die kennen wir aus den hiesigen Lichtspielhäusern, wo vor etwas mehr als drei Jahren Die Hüterin der Wahrheit anlief. Nun folgt die Fortsetzung, wenn auch in kleinerem Maße, wenn das zweite Abenteuer der Seherin direkt fürs Heimkino veröffentlicht wird. Verständlich ist das sicher, die Kombination aus Jugendlektüre und groß angelegtem Fantasy-Abenteuer ist ohne entsprechenden Bekanntheitsgrad nicht ganz leicht zu verkaufen. Ein bisschen schade ist es schon, denn in der schlammig-bodenständigen Pseudo-Mittelalter-Welt gibt es doch das eine oder andere Bild, das man ruhig hätte etwas größer zeigen dürfen.
Wobei das Budget der dänischen Produktion natürlich nicht mit dem der Hollywood-Variante aufnehmen kann. Wann immer das Team in die Trickkiste greifen will, ist das Ergebnis dann auch von einer tendenziell gemischten Natur. Manchmal fällt es nicht so auf, gerade bei den Nachtaufnahmen, wenn Details ohnehin in der Dunkelheit verschwinden. Andere Stellen sind dafür auffälliger, beispielsweise bei einem großen Feuereinsatz. Denn der lässt sich nun einmal weniger gut verstecken. Dann wiederum gibt es Szenen, bei denen man gern mehr gesehen hätte, was aber aus anderen Gründen dann wohl nicht ging.
Zwischen Pflicht und Dunkelheit
Während man dies mit etwas Nachsicht aber ignorieren kann, wiegt die inhaltliche Enttäuschung von Die Hüterin der Wahrheit 2 schon schwerer. Ausgerechnet die sonderbare Fähigkeit von Dina, welche den ersten Teil zu etwas Besonderem machte, rückt nun in den Hintergrund. Stattdessen folgt der Film eher der Frage, ob die junge Frau dem Erbe ihres bis dato unbekannten Vaters nachfolgen soll. Denn der war ganz schlimm, sagt die Mutter. Sieht ja auch düster aus. Und schwarze Magie hört sich nicht gerade nach einem Helden an.
Daraus hätte sich durchaus ein spannender Konflikt machen lassen: Wie weit bin ich bereit zu gehen, um andere Menschen zu retten? Lässt sich das Böse rechtfertigen, wenn es ein gutes Ziel hat? Ganz so weit will Die Hüterin der Wahrheit 2 jedoch nicht gehen, wirkt auch durch die zweigeteilte Handlung – Dina auf der einen Seite, die Gefangenen auf der anderen – seltsam unentschlossen und ohne echten Zug. Und das obwohl die Laufzeit nur rund anderthalb Stunden beträgt. Mit dem Vorgänger kann es der zweite Teil daher nicht aufnehmen, atmosphärisch ist das Fantasy-Abenteuer aber durchaus, aufgrund der Selbstfindungselemente zudem für Jugendliche nicht uninteressant.
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