Ist das nun ein Beispiel für gelebte Demokratie? Oder doch ein Armutszeugnis, dass es erst so kommen musste? Beeindruckend ist die Zahl so oder so: Über eine Million Menschen haben in Bayern das Volksbegehrten Artenschutz unterzeichnet. Ob das Ganze am Ende etwas bringt, das ist noch völlig offen. Zumindest aber gelang es den Initiatoren auf ein Problem aufmerksam zu machen, von dem wir eigentlich alle wussten, das bislang jedoch niemand groß beachtet hat. Uns sterben die Insekten weg. Dass dafür ein bisschen geschummelt wurde, indem ausgerechnet die nicht sonderlich bedrohte Honigbiene als Zugpferd präsentiert wurde, geschenkt. Hauptsache es funktioniert.
Dass das Problem deutlich größer ist als die Sorge um unser morgendliches Honigbrot, das verdeutlicht der neue Dokumentarfilm von Jan Haft. Der setzt sich seit Jahren unermüdlich dafür ein, die Vielfalt unserer Natur auf Film zu bannen, solange es noch möglich ist. Das meiste davon findet im Fernsehen ein Zuhause. Dann und wann gibt es seine Bilder aber auch auf der großen Leinwand zu genießen – zuletzt 2015 in Magie der Moore. Die etwas gespenstische Stimmung damals weicht hier einem deutlich freundlicheren Ambiente. Wer kann schon zu sonnigen Wiesen ernsthaft Nein sagen?
Ach, ist das schön!
Es mutet dann auch recht idyllisch an, was uns Haft da mitgebracht hat. Manchmal etwas zu idyllisch vielleicht. Selbst wenn das Motto zeitweise lautet „fressen und gefressen werden“ – ein Fuchs schnappt sich eine unvorsichtige Maus, eine etwas unheimliche weiße Spinne lauert ihren Opfern in einer Blume auf –, so ist Die Wiese – Ein Paradies nebenan doch sichtbar darum bemüht, ein kleines Paradies aufzuzeigen. Was verständlich ist, schließlich möchte der Regisseur doch verdeutlichen, was bei uns gerade auf dem Spiel steht, wenn Monokultur und Landwirtschaft überall die Natur zerstören.
Das ist glücklicherweise nicht ganz so polemisch und moralinsauer, wie es hätte sein können. Wie es viele gut gemeinte Dokumentarfilme sind, die nicht berichten, sondern verändern wollen. Beispielsweise wird der Mensch nicht grundsätzlich als Monster dargestellt, der die Umwelt systematisch zerstört. Im Laufe der Zeit hat er durchaus auch Gutes getan, wenn er ein bisschen eingegriffen hat. Nur tat er das früher eben mit Maß, sah sich noch als ein Teil der Natur, von der er auch abhing. Geben und nehmen. Zumal die Möglichkeiten auch deutlich beschränkter waren.
Aufmunterung zum Mitmachen
Alternativen zum aktuellen Raubbau bietet Haft hingegen kaum an, der wissenschaftliche oder auch ökonomische Aspekt liegen ihm weniger. Ihm geht es mehr darum zu zeigen, was das eigentlich bedeutet, wenn uns die Tiere wegsterben. Wen wir dabei alles verlieren. Von Füchsen über Vögel bis zu zahlreichen Insekten, von denen wir nicht einmal wussten, dass es sie gibt, reicht die Bandbreite. Beispiele für die Vielfältigkeit von Leben und die Bedeutung solcher naturbelassenen Wiesen.
Das geht zwangsläufig nicht so wahnsinnig stark in die Tiefe. Dafür reicht die Zeit auch nicht, bei weniger als 90 Minuten Laufzeit. Es ist mehr ein Querschnitt durch die Natur, ein Teaser dafür, was sich da draußen abspielt. Das macht Die Wiese auch für ein jüngeres Publikum geeignet, das auf diese Weise zumindest virtuell unsere Umwelt erfährt. Das so vielleicht auch Lust bekommt, selbst mal wieder Mutter Natur einen Besuch abzustatten. Die eigenen Einblicke werden dabei sicherlich nicht ganz so detailliert sein, mit der gerne hier eingesetzten Technik – inklusive Drohnen und Zoom – kann das menschliche Auge nun einmal nicht konkurrieren. Aber es reicht doch, um den Schatz zu würdigen und die eine oder andere Petition zu unterschreiben.
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