Dragged Across Concrete
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Dragged Across Concrete

„Dragged Across Concrete“ // Deutschland-Start: 23. August 2019 (DVD/Blu-ray)

Das war dann wohl ein bisschen zu viel des Guten: Als die Polizisten Brett Ridgeman (Mel Gibson) und Anthony Lurasetti (Vince Vaughn) bei einem Einsatz unnötig gewaltsam vorgehen, werden sie dummerweise dabei gefilmt. Die Folge: Suspendierung, ohne Bezahlung. Dabei könnten die beiden gerade Geld sehr gut gebrauchen. Aber wozu hat man im Laufe seiner Polizeikarriere Kontakte zu Kriminellen aufgebaut? Auf diese Weise werden sie auf einen Coup von Lorentz Vogelman (Thomas Kretschmann) aufmerksam, an dem auch der Ex-Sträfling Henry Johns (Tory Kittles) und sein Kumpel Biscuit (Michael Jai White) beteiligt sind. Doch ganz so einfach ist das mit dem Geldverdienen dann doch nicht.

Lange hat S. Craig Zahler darum kämpfen müssen, im Filmgeschäft wahrgenommen zu werden. Mehr als 20 Mal sollen seine Drehbücher optioniert worden sein, ohne dass am Ende auch wirklich ein Film draus wurde. Erst seitdem er seine Geschichten selbst verfilmt, hat er sich Gehör verschafft. Zunächst mit dem bestialischen Horror-Western Bone Tomahawk, danach mit dem surrealen Knastalptraum Brawl in Cell Block 99. Nun steht mit Dragged Across Concrete seine dritte Regiearbeit an. Und obwohl er sich hiermit nach und nach der Lebensrealität annähert, der Schockfaktor will einfach nicht geringer werden. Vielleicht auch gerade, weil er es tut.

Rückkehr in schlechtere Zeiten
Beispiele von Polizeigewalt kennen wir natürlich, zumindest vom Hörensagen oder den US-News. Da wird schon mal ein unbewaffneter, nackter Mann erschossen, weil grundsätzlich erst einmal jeder eine Gefahr darstellt. Vor allem jeder, der nicht so ist, wie man selbst. Alles übertrieben, sagt Ridgeman, ein Vertreter der alten Polizeischule, als man noch ungestört Leute über den Haufen schießen durfte, ohne schlechte Lügenpresse befürchten zu müssen. Einer, der noch sagt, was Sache ist. Sagt, was man ja wohl noch mal sagen darf.

Ob Zahler diese reaktionäre Gesinnung teilt oder sich darüber lustig macht, das ist hier nicht immer ganz klar. Das Dokumentarische und das Satirische ist in Dragged Across Concrete miteinander verbunden, wie ein Schmerz, den man am ganzen Körper spürt, ohne ihn wirklich lokalisieren zu können. Nur dann und wann, gerade bei späteren absurden Dialogen, merkt man oder meint zu merken, dass das hier kein rein nostalgisches Erinnern an die harten Kerle von einst ist. Dass der Film die Sehnsüchte des vermeintlichen Zielpublikums durch den Dreck zieht, bis man überall voller Wunden ist.

Die Qual des ereignislosen Abstiegs
Dabei ist der Actionanteil recht gering, vor allem für einen Film, der über zweieinhalb Stunden lang ist. Non-Stop-Geballere ist hier nicht angesagt. Nach dem etwas brutaleren Einstieg passiert erst einmal lange … nichts. Stattdessen nimmt sich Zahler all die Zeit der Welt, um seine Figuren einzuführen, ihre Motivationen auszuarbeiten, bevor es dann später, viel später, mal zur Sache geht. Das erfordert Geduld, viele Szenen hätte man problemlos streichen können, ohne dass es auf den Inhalt Auswirkungen gehabt hätte. Wenn überhaupt sind diese drin, um die nihilistischen Ausführungen des Filmemachers zu verdeutlichen: Da wird schon mal ausführlich an einer Charakterisierung gearbeitet, nur um danach alles wegzuwerfen.

Dragged Across Concrete, das auf den Filmfestspielen von Venedig 2018 Premiere feierte und im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights 2019 nach Deutschland kommt, ist dann auch ein Film, an dem nur sehr wenige ihre Freude haben werden. Für eine reine Abbildung eines kaputten Amerikas ist einiges zu überdreht, für liberales Arthouse zu genüsslich-böse, zu dreckig, für Actionfans zu langweilig, für eine Satire zu alltäglich. Zahler hat damit ein Monster geschaffen, das gleichzeitig irgendwie großartig und irgendwie furchtbar ist. Das man nicht hat sehen wollen und doch froh ist, es gesehen zu haben. Ein Film, bei dem man gar nicht sagen kann, für wen man denn nun sein soll. Wenn ein Schwarzer, der gerade aus dem Knast kommt, wo er wegen schwerer Körperverletzung saß, und gleich als nächstes eine Bank überfällt, noch am ehesten als Sympathieträger durchgeht, dann weiß man, dass hier nicht so ist, wie es sein sollte.



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Zwei korrupte Cops wollen bei einem Verbrechen mitmischen, um auch mal absahnen zu können – das verspricht viel Action. Stattdessen ist „Dragged Across Concrete“ aber recht ereignisarm, konzentriert sich lieber auf die Figuren und zeichnet in aller Seelenruhe ein zynisch-satirisches Bild einer kaputten Gesellschaft, in der Helden Mangelware sind.
7
von 10