You vs. Wild Du gegen die Wildnis Netflix
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Du gegen die Wildnis – Staffel 1

You vs. Wild Du gegen die Wildnis Netflix
„Du gegen die Wildnis – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 10. April 2019 (Netflix)

Offensichtlich ist Netflix entschlossen, die eigene übliche Berieselungsware in Zukunft durch mehr Interaktivität aufzuwerten. Warum auch nicht? Schließlich schafft man sich auf diese Weise ein Alleinstellungsmerkmal, das andere Formen des Filmkonsums – Kino und Fernsehen – so nicht bieten. Und so gibt es einige Monate nach Black Mirror: Bandersnatch einen weiteren Titel, bei dem das Publikum aktiv ins Geschehen eingreifen kann und auch muss. Denn ohne eigenen Input passiert hier wenig.

In Du gegen die Wildnis begleiten wir Bear Grylls zu mehreren seiner Lieblingsplätze. Und wer die anderen Sendungen des gebürtigen Nordiren kennt, der weiß, dass die meistens fernab der Zivilisation liegen. Survival ist sein Thema, seine Spezialität auch, wenn er sich in den widrigsten Umständen zurechtfindet und meist nur von dem lebt, was er in der Natur findet. Wie die Hardcore-Ausgabe eines Pfadfinders. Sofern er nicht gerade beim Dreh einer Sendung etwas schummelt.

(Fast) allein in der Wildnis
Das ist grundsätzlich bei Du gegen die Wildnis ganz ähnlich. Der Unterschied: Seine diversen Survivaltrips führen immer wieder zu Abzweigungen, bei denen die Zuschauer entscheiden müssen, wie es weitergeht. Das können tatsächliche Weggabelungen sein wie zwei Tunnel in einer Mine oder zwei verschiedene Optionen, wie man von einem Berg herunterkommt. Manchmal betrifft die Entscheidung aber auch die Frage, wie man in einer bestimmten Situation reagieren sollte. An einer Stelle sind wir beispielsweise mit Bear in der Wüste gestrandet und haben nun die Wahl: Folge ich Tierspuren, in der Hoffnung Wasser zu finden, oder gehe ich direkt ans Ziel, obwohl meine Vorräte knapp sind?

Das erinnert an die Spielbücher, die in den 80ern so populär waren und in denen wir sich verzweigende Abenteuer erleben durften. Damals blätterte man auf eine bestimmte Seite, um das Ergebnis einer Entscheidung zu sehen. Hier geschieht das per Maus-Klick oder am Handy. Das Gefühl einer Bedrohung will bei Du gegen die Wildnis jedoch, trotz des Titels, nicht so recht aufkommen. Schließlich handelt es sich hier um real gedrehte Szenen, dass Bear Grylls am Ende einem wilden Tier zum Opfer fällt oder jämmerlich in der Wüste verdurstet, ist dadurch ausgeschlossen. Welche Serie tötet schon den eigenen Hauptdarsteller?

Wie böse kann es schon werden?
Das wird all diejenigen enttäuschen, die solche interaktiven Geschichten in erster Linie dazu verwenden, die Hauptfigur quälen zu wollen. Das Motto: Mal schauen, was ich alles mit ihm anstellen kann. Das macht Du gegen die Wildnis oft ein bisschen belanglos. Auch wenn Bear immer wieder betont, wie wichtig das Eingreifen des Publikums ist und brav für jede kluge Entscheidung lobt, man hat nicht wirklich das Gefühl, das Geschehen zu beeinflussen. Anders als bei besagtem Black Mirror: Bandersnatch verändert man kaum den Inhalt. Auch diese Erwartung sollte besser schon vorab abgelegt werden, um etwas mit der Serie anfangen zu können.

Die Stärken der Netflix-Produktion liegen woanders. Zum einen wäre da natürlich die Bilder. Wie oft kommt es schon vor, dass man in Minen herumkriecht, sich durch Dschungel kämpft, in einer Wüste unterwegs ist, nachdem man vorher durch riesige Schneelandschaften stapfte? Die Abwechslung der Settings ist groß, zu sehen gibt es allerhand. Außerdem hat Du gegen die Wildnis durchaus erzieherische Qualitäten. Zugegeben, diverse Szenarien sind so fremd, dass man sich nie in einer vergleichbaren Situation wiederfinden wird. Zwischendurch gibt es jedoch das eine oder andere Wissenswerte, wie man sich in einer Notlage zu verhalten hat. Leider werden diese Aspekte nicht kontinuierlich berücksichtigt, zwischendurch finden sich immer wieder Weggabelungen, die nur per Trial & Error erkundet werden können. Bei denen es keine richtige oder falsche Antwort gibt, sondern letztendlich nur Glück und Pech. Das sorgt zwar ein bisschen für Spannung, aber nicht genug, ist ebenfalls nicht konsequent umgesetzt. Die Idee hinter der Show ist daher sicher interessant, die Umsetzung aber nur zum Teil geglückt.



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Ein Survival-Abenteuer, bei dem man als Zuschauer bestimmt, wie es weitergeht? Das ist als Idee interessant. Das Ergebnis ist jedoch nur teilweise geglückt. Das Gefühl einer echten Gefahr will sich nie einstellen, die erzieherischen Aspekte werden zu oft von Willkürlichkeit verdrängt. Ein bisschen was lernen kann man jedoch, dazu gibt es schöne Aufnahmen der unterschiedlichsten Gegenden, von Eis über Wüste bis Dschungel.