In Kanada ist es erlaubt, ebenso in Mexiko, in Deutschland wird zumindest von den kleineren politischen Parteien immer mal wieder darüber nachgedacht: der Konsum von Cannabis. Ein Verbot sei nicht mehr zeitgemäß, so lautet die Argumentation, der ungeregelte Verkauf unter der Hand richtet mehr Schaden an, als es ein offizieller tun könnte. Vergleichbare Diskussionen gibt es natürlich auch in den USA, das – wie so oft – das Land der unbegrenzten Widersprüche darstellt. Einerseits ist es durch Bundesrecht verboten. Andererseits gibt es eine Reihe von Bundesstaaten, die es eigenmächtig doch erlauben, in der einen oder anderen Form. Vor allem im medizinischen Bereich wird ganz gerne mal auf die Wirkung der Pflanze zurückgegriffen.
Gleichzeitig sitzen nach wie vor viele im Knast, müssen teils astronomisch hohe Haftstrafen verbüßen. Ein Beispiel in Grass Is Greener: ein Mann, der wegen eines einzelnen Joints Jahre hinter Gitter soll. Dass das nicht verhältnismäßig ist, das ist allen klar, dem Umfeld, ihm selbst, auch dem Richter. Aber es ist das Ergebnis eines komplizierten Rechtes in Louisiana. Das Ergebnis auch von Jahrzehnten, in denen mit teils drakonischen Strafen versucht wurde, die Ausbreitung des Rauschmittels zu verhindern.
Lasst uns kiffen!
Die Netflix-Doku hält sich längere Zeit mit diesem speziellen Fall auf, um die allgemeine Ungerechtigkeit zu verdeutlichen und dabei noch ein bisschen auf die Tränendrüse zu drücken. Denn auch wenn Grass Is Greener durchaus informieren möchte, in erster Linie ist der Film ein Plädoyer für die Legalisierung. Regisseur Fab 5 Freddy, der als Moderator der ersten internationalen Hip-Hop-Show Yo! MTV Raps Ende der 1980er Fernsehgeschichte schrieb, tut nicht einmal so, als wollte er Argumente für und gegen eine Cannabis-Erlaubnis abwägen. Er will eine Gesetzesänderung, jetzt, schreckt dabei auch vor emotionaler Manipulation nicht zurück.
Diesen Vorstoß mag man nun unterstützen oder ablehnen, mangelnde journalistische Tiefe und Unvoreingenommenheit vorwerfen oder eben als wertvolle Unterstützung ansehen. Interessant ist Grass Is Greener trotz der einseitigen Berichterstattung vor allem als historisches Dokument. Wie kommt es eigentlich, dass in den USA diese Droge so vehement bekämpft wurde und wird? Und über welchen Weg fand das Rauschmittel überhaupt Einzug in die amerikanische Gesellschaft?
Von musikalischen und anderen Rauschzuständen
Die Spurensuche führt den Film zur Musik. Der Siegeszug von Cannabis begann mit der Jazz-Musik, die kleine Rauschzustände als probates Mittel für improvisierte Auftritte ansah. Und auch heute noch ist in der Unterhaltungsbranche ein Joint nie ganz verkehrt, vor allem die Verbindungen zum Hip-Hop werden deutlich gemacht. Dafür versammelte Fab 5 Freddy, der mit bürgerlichem Namen Fred Brathwaite heißt, jede Menge Musik-Spezis, allen voran Snoop Doggy Dog, ebenfalls ein großer Befürworter der Legalisierung und des Konsums. Über die Zusammenhänge von Kreativität und Drogen wird nicht ganz so viel gesagt, Letztere sind eher Ausdruck einer Lebenseinstellung als Katalysator von Kunst.
Der spannendste Aspekt von Grass Is Greener ist jedoch der Zusammenhang zwischen der Kriminalisierung und dem allgegenwärtigen Rassismus. Wenn Latinos und Schwarze schon nicht direkt verboten werden konnten, so heißt es an einer Stelle, dann sorgen wir doch wenigstens dafür, dass wir sie einfach so wegsperren konnten. Auch dort bleibt die Doku letzte Antworten schuldig, wenn nie wirklich verraten wird, weshalb der Drogenkonsum vor allem in diesen Bevölkerungsgruppen so vertreten war. Zumindest aber zeigt der Film, unterstützt von vielen historischen Aufnahmen und O-Tönen, wie sehr der Kampf gegen Drogen nur ein Stellvertreterkampf war, fadenscheinig und zynisch, dem es nicht um Recht und Gesundheit ging, sondern um die Bewahrung von Verhältnissen und Hierarchien.
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